Gier hat ihren Preis

Kolumne Oktober 2010

Zunächst eine Warnung: Sollte Ihnen im Internet mein Name begegnen, verbunden mit dem Satz „Die Reichen müssen noch reicher werden“, dann Finger weg! Keinesfalls den Link anklicken. Auf dem Plakat von 1972 stand noch „Deshalb CDU“, was ich später in „Wählt christdemokratisch“ veränderte, um einem möglichen Prozess wegen Verletzung des Namensrechts zu entgehen. Das Oberlandesgericht Celle entschied seinerzeit zu meinen Gunsten und stellte fest: „Es ist der Satire wesenseigen, daß sie mehr oder weniger stark übertreibt…“ Doch was jetzt geschieht, stellt jede satirische Absicht in den Schatten, weil Sie sich unversehens am Rande einer realen Falle wiederfinden. Aufgestellt von Bitcoin-Betrügern.

Ich gestehe, dass ich nie so recht begriffen habe, was es mit der sogenannten Krypto-Währung auf sich hat, die als eine Art Tausch- statt Zahlungsmittel seit gut 12 Jahren die Finanzwelt aufmischt. Im Oktober 2009 bekam man für einen US-Dollar noch 1300 Bitcoin – heute kostet einer dieser Chips 64445 Dollar. Die weltweite Begrenzung auf 21 Millionen Bitcoins sorgt bei Spekulanten für eine Wahnsinnsstimmung. Elon Musk hat für eineinhalb Milliarden Dollar getauscht, bereits 50% Gewinn gemacht und möchte, dass die Interessenten an seinen Tesla-Autos künftig möglichst in Bitcoins zahlen. Den Einwänden von Umweltschützern, dass die Rechenleistung der Computer für die Bitcoin-Transaktionen einen jährlichen Stromverbrauch von 90 Terawattstunden erfordern, begegnet Musk mit der nächsten Geschäftsidee, er könne dafür riesige Batterie-Speicher herstellen, die überschüssigen Strom aufnehmen und wieder abgeben würden. Das Imperium Musk, von Kalifornien über Grünheide in der Mark bis zum Mars nimmt immer gigantischere Formen an.

Aber zurück zu meinem Problem mit dem Spruch aus den siebziger Jahren. Der wird nämlich im Internet als eine Art Leimrute ausgelegt, mit der man in manchen Gegenden noch Vögel fängt. Hier dient er dazu, leichtsinnigen Menschen einzureden, sie könnten im Handumdrehen das dicke Geld verdienen. Ein Klick auf „Staeck“ und Sie finden sich auf einer Seite der BILD-Zeitung wieder, die angeblich über eine Sendung der bekannten Reihe „Höhle des Löwen“ berichtet, die nicht ausgestrahlt werden durfte, weil Carsten Maschmeyer dort zu freimütig darüber informiert, wie stinkreich man geradezu zwangsläufig mit Investitionen in Bitcoins werden kann. Dabei ist alles Fake: BILD und „Höhle“ und Maschmeyer haben nichts damit zu tun – sie werden wie Staeck und „Die Reichen müssen noch reicher werden“ auf mehr als 40 Internetplattformen nur als Köder zum versprochenen schnellen Reichtum benutzt. Den erlangt jedoch nur, wer seine E-Mail und Handy- Nummer Preis gibt und umgehend 250 Euro in ein automatisiertes Trading-System einzahlt. Damit begibt man sich aber in die Hand der Broker-Roboter und wird per Telefon und Mail zu fortlaufenden Zahlungen aufgefordert, um irgendwann an die begehrten Bitcoins heranzukommen. Die Zeitspanne bis zur Ernüchterung, dass die Aussicht auf 1000% Rendite eine Luftnummer ist, ist je nach Solvenz und Intelligenz unterschiedlich. Nachfragen beim Broker erweisen sich als überflüssig. Ein Impressum oder haftende Gesellschafter wird man auf den gefälschten Internetseiten vergebens suchen. Vielleicht bleibt noch die Kraft für eine Anzeige und eine Meldung bei der Finanzmarktaufsicht.

Der Kapitalismus ist nun mal kein Kinderspiel. Denken Sie daran, wenn Sie demnächst meinen Namen mit dem bekannten Spruch als Link im Internet finden.

Demokratur – nein Danke!

Kolumne 15. Oktober 2010

Stell Dir vor die Parteien und Parlamente wären von den Parteilosen und Protestlrn hinweggefegt worden. Das Prinzip der direkten Demokratie hätte das der repräsentativen unter sich begraben. Gruppeninteressen würden die Gemeininteressen dominieren und Systemkritiker nach ihrem eigenen, wohlfeilen System regieren. Das einzige Programm der Politikneulinge trüge die Stempel Protest und Populismus. Wer glaubt, dass sei eine verrückte Vision, der blicke ins Städtchen Anklam. 200 Kilometer nördlich von Berlin bewegt ein demokratischer Alleinherrscher schon seit Jahren nach seinen eigenen Regeln die Hebel die Macht. 

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Auf Teufel komm raus

Kolumne September 2010

Wer in diesen Wochen Thilo S. entgehen wollte, dem blieb nur völlige Medienabstinenz oder er musste sehr, sehr weit reisen. Der Ex-Bundesbanker war stundenlang auf allen Kanälen, beherrschte sämtliche Titelseiten und wurde vom Spiegel gar zum „Volkshelden“ promoviert. Welcher Teufel reitet eigentlich so gut wie alle Medien, derart ausufernd in diesen Fall einzusteigen und zwangsläufig andere Nachrichten zu vernachlässigen? Geht es wirklich um die Sache oder bloß wieder um die Beteiligung am allgemeinen Krawall, den sie dem selbsternannten Migrationsexperten vorwerfen?

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Bürgerliche Verdienste

Kolumne September 2010

Was ist das eigentlich für ein seltsames Land, in dem man in wenigen Jahren zum Milliardär aufsteigen kann und zugleich ein immer größerer Teil der Gesellschaft in die Armutszone abrutscht? Und so gut wie nichts passiert, diesen Zustand zu ändern. Wieso lehnt die Politik die bereits mehrfach geäußerten Angebote vermögender Bürger ab, freiwillig mehr Steuern zu zahlen?

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Alte Rechnungen

Kolumne August 2010

Überschwemmungen in Pakistan, Erdrutsche in China, Feuersbrünste in Russland, Tropenstürme auf den Philippinen und die Ölpest im Golf von Mexiko. Eine dramatischere Lage hätte man sich für die UN-Klimakonferenzen in Bonn kaum denken können. Selbst solch schrille Alarmsignale brachten die Klimadiplomaten zu keinem greifbaren Ergebnis. Statt endlich die Handbremse zu ziehen und sich auf verbindliche CO2-Reduktionen zu verständigen, bliesen die herbeigejetteten Regierungsvertreter aus aller Welt selbst wieder kräftig Kohlendioxid in die Atmosphäre. Das störte weder die Tagungsteilnehmer noch die Medien, die der aufs Scheitern programmierten Veranstaltung kaum noch Aufmerksamkeit schenkten, obwohl etwa 90 Prozent der heutigen Naturkatastrophen klimabedingt sind. 

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Realitätsflucht

Kolumne Juli 2010

Vor einem knappen Monat richteten sich noch alle Blicke auf Afrika. Besser gesagt auf Südafrika und die Fußball-WM. Bei aller Begeisterung für das Mega-Event, die perfekte Organisation und die friedliche Atmosphäre blendeten die Medien das tägliche Drama im Norden des Kontinents wieder mal aus. Zehntausende Afrikaner riskieren alljährlich – Tendenz weiter steigend – auf maroden Booten ihr Leben, um ein besseres und sicheres in Europa zu finden.

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Blinde Justiz

Kolumne Juli 2010

Justitia hat nicht ohne Grund die Augen verbunden. Ungeachtet des Ansehens der Person soll sie nach sorgfältiger Abwägung der Sachlage ihr gerechtes Urteil fällen. So das Idealbild der Antike. Doch wird dieses Bild durch die Wirklichkeit oftmals konterkariert. Justitias Jünger in den USA haben eben erst wieder bewiesen, wie blind und einseitig Richter urteilen können. 

Als sie Obamas Bohrverbot kassierten, drückten sie gegenüber der mächtigen Öl-Multis beide Augen zu. „Die Kläger machen geltend, dass sie irreparable Schäden wegen des Moratoriums erlitten haben und erleiden werden. Das Gericht sieht das auch so“, befand US-Richter Feldman in seiner fatalen Urteilsbegründung. Dass täglich fast zehn Millionen Liter Rohöl ins Meer schießen und die Natur irreparable Schäden erlitten hat und weiterhin erleiden wird, liegt außerhalb seines Blickfelds. Das ökonomische Untergangszenario der Mineralölgesellschaften kann er sich besser vorstellen als die sichtbare ökologische Katastrophe. Als hätte es die Bilder verseuchter Küstenstriche und verendender Vögel und Fische nie gegeben, darf im Pazifik mit vollem Risiko weitergebohrt werden.  

Seine Kollegen vom Supreme Court scheinen ebenso blind für die Folgen ihrer Urteile zu sein. Das Grundrecht auf privaten Waffenbesitz wog für die knappe Mehrheit der obersten US-Richter deutlich schwerer als Statistiken, die in den Vereinigten Staaten täglich 300 Schusswaffentote und fast doppelt so viele Schusswaffenverletzte verbuchen. Wenn Chicago den Besitz von Handfeuerwaffen freigeben muss, dürfte in der US-Hauptstadt des Verbrechens die Mordrate wieder in die Höhe schnellen. Aber was zählt im Wilden Westen schon der allgemeine Schutz von Menschenleben gegen das individuelle Recht auf Selbstverteidigung.

Nicht nur im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sind einige Richter mit Blindheit geschlagen. Auch der Oberste Gerichtshof in Indien ließ nun ungewöhnliche Milde walten. Während nach dem Chemieunfall in Bhopal von 1984 Tausende von Menschen starben und über eine halbe Million immer noch unter den Folgen gesundheitlich leiden, kommen die Manager der Pestizidfabrik mit heiler Haut davon. Wegen unterlassener Hilfeleistung und nicht wegen unbeabsichtigter Tötung müssen sie höchstens mit zwei Jahren Gefängnis rechnen. Das Fabrikgelände ist natürlich immer noch nicht verseucht und den Opfern mit den Entschädigungszahlungen kaum geholfen. 

Und in Deutschland? Da sorgt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit seinem jüngsten Urteil für freie Fahrt von Fernbussen. Als ob es auf deutschen Autobahnen nicht schon genügend Staus und Stinker gäbe, sollen noch mehr Fahrzeuge auf die Straße geschickt und der Deutschen Bahn mit niedrigen Preisen eingeheizt werden. Konkurrenz mag das Geschäft kurzfristig beleben, die Umwelt wird langfristig daran sterben. Die Auslastung von Bus und Bahn wird sinken, die CO2-Emission pro Fahrgast steigen und unrentable Routen werden stillgelegt. Am Ende sind Kunden und Klima gleichermaßen gestraft.  

Aus Strafen sollen Verurteilte lernen. Aber wer lehrt Richter aus ihren Fehlurteilen zu lernen? Das zweite juristische Staatsexamen ersetzt nicht den gesunden Menschenverstand. Und der sollte ihnen sagen, dass der Schutz von Mensch und Natur vor dem Schutz von Ölmultis, Chemiebossen und Automobilmanagern rangiert. Die Natur kommt ohne den Menschen aus. Nicht umgekehrt.

Die Billigfalle

Kolumne Juni 2010

„Qualität kommt von quälen“ wirbt Verona Pooth in ihrem schlichten Feldbusch-Deutsch für KiK. Wenn sie wüsste, wie recht sie damit hat. Eigentlich kann sie doch nicht so naiv sein, wie sie sich im Werbespot gibt. Selbst Verona sollte klar sein, dass ihr Auftraggeber mehr Qualen als Qualität produziert. Dieses Leiden bekommen keineswegs minderwertige Billigprodukte bei der Qualitätsprüfung zu spüren, wie der Spot suggeriert, sondern seine Mitarbeiter in Deutschland und die Näherinnen in der Dritten Welt.

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Nachtrag zum Abgang

Kolumne Juni 2010

Eine Stunde nach Horst Köhlers Rücktritt kamen die ersten Interviewanfragen. Kaum Zeit, um tiefgreifend ein schockierendes Ereignis zu reflektieren. Als ich einen Hauch von Verständnis für diesen Schritt äußerte, ließen mich meine Partner schnell fühlen, dass sie andere Antworten erwartet hatten. Denn die ersten Online- Kommentare hatten ihr vernichtendes Urteil ad hoc bereits gefällt. Da wurde mit einer Gnadenlosigkeit ohnegleichen ein Mann öffentlich vorgeführt, der eben noch die Nr. 1 im Staate war, nun aber als „Weichei“ gleich mehrfach der „Fahnenflucht“ überführt galt.

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Ich habe fertig

Kolumne Mai 2010

Ein brutalstmöglicher Rücktritt ist angekündigt, aber die Erinnerung wird bleiben an den Mann, den es ständig in die Schlagzeilen drängte. Als Roland Koch Ministerpräsident in Hessen werden wollte, wetterte er kräftig gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Mit dem Doppelpass-Thema fuhr er 1999 den Wahlsieg ein. In der Vermögenssteuerdebatte sprach er von einer neuen „Form von Stern an der Brust“, als Verdi-Chef Bsirske forderte, die Namen aller Reichen in Deutschland zu veröffentlichen.

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