Kolumne Mai 2008
Großen Ärger der besonderen Art bescherte mir vor 30 Jahren eines meiner eher unbedeutenden Plakate. Gegenstand der Erregung war der schlichte Slogan „Wir brauchen die Grünen zur schwarzen Mehrheit.“ In der Postermitte ein grinsender Franz Josef Strauß, flankiert von Filbinger und Stoltenberg. Zahlreiche Ober- und Untergrüne waren empört.
Sahen sie in meinem Plakat doch eine üble Unterstellung, die sie gerade mir nie zugetraut hätten. Schließlich war die Antiparteienpartei erst kurz zuvor angetreten, die verkrustete Parteienlandschaft aufzubrechen und als politische Avantgarde den Bundestag zu erobern. Zur gleichen Zeit lag Strauß als Kanzlerkandidat des rechten Lagers auf der Lauer und lehrte viele Wähler das Fürchten. Durch die Zersplitterung der Gegenseite erhöhten sich seine Chancen. Am Ende reichte es weder für ihn noch für die neue, bunte Truppe.
Inzwischen ist das alles Geschichte und die Alternativpartei nach allerlei Häutungen ein ganz normaler Verein. Angekommen im Hier und Jetzt und nach allen Seiten offen. So überrascht nicht, dass das jahrzehntelang undenkbare Gespann Schwarz-Grün in Hamburg so geräuschlos die politische Bühne betritt. Keine lauten Kräche, keine spektakulären Aus- und Rücktritte, keine Abspaltungen. Selbst die TAZ fieberte der Traumhochzeit entgegen.
Klaren Auges betrachtet ist die Hamburger Farbkombination gar nicht so neu wie sie auf den ersten, flüchtigen Blick scheint. Dazu muss man gar nicht auf den ehemals grünen Wandersmann Oswald Metzger und seinen neuen schwarzen Heimathafen verweisen. Die Grünen im Südwesten der Republik haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie auch an der Seite der Union glücklich werden können. Und so muss auch nicht verwundern, wenn der grüne Fraktionsvorsitzende Kuhn nun öffentlich erklärt: „Wer die Alleinherrschaft der CDU verhindern will, der muss nicht mehr diese langweilige FDP wählen“. Die Grünen als FDP-light ? Solche Töne waren bisher nur von den entschiedensten Gegnern der Noch-Öko-Partei zu hören.
Damit keine Zweifel an der neuen Wahlverwandtschaft aufkommen, verkündet das grüne Urgestein Rezzo Schlauch via Welt Online: „Die Zeit für Schwarz-Grün ist sogar überreif!“ Um die Begriffsverwirrung perfekt zu machen, bescheinigt Ex-Barrikadenkämpfer Cohn-Bendit der neuen Paarung sogar einen „ästhetischen Reiz“. Ästhetisch? Politrentner Fischer geht noch einen Schritt weiter und sieht das Gemischte Doppel von Hamburg ganz „selbstverständlich“ als „das entscheidende Vorbild für den Bund“. Insoweit herrscht wenigstens Klarheit. Trotz aller linken Sprüche, die wir derzeit gleichmütig über uns ergehen lassen müssen.
Für die Weitsichtigeren war die Entwicklung der einstigen, selbsternannten Avantgarde jedoch immer absehbar. Schließlich bedienen beide Parteien seit jeher ähnliche Milieus. Als sie 1979 zum ersten Mal in die Bremer Bürgerschaft einzogen, verdankten sie das auch besonders zahlreichen Wählern in einer bekannten Villengegend. Also wieder zurück zu den Wurzeln? Nach sauberer Luft wollen schließlich konservative wie progressive Bürger schnappen. Und dem Prekariat fühlten sich beide Parteien ohnehin nie sonderlich verpflichtet. Das bedeutet freilich nicht, dass da nun zusammenwachse, was auch zusammen gehöre. Bleibt bei Vielen nur die Frage: Was macht eigentlich die vielbeschworene grüne Basis? Sie steht still und schweiget. Na, dann gute Reise!