Kolumne Oktober 2008
Fast die Hälfte aller US-Amerikaner und nahezu 40 Prozent der Briten glauben, dass Gott die Lebewesen im Laufe der letzten 10.000 Jahre erschaffen hat. In Deutschland soll jeder Fünfte den sechstägigen Schöpfungsplan beim Wort nehmen. Und manch deutscher Biologiestudent ist sich auch nicht recht sicher, ob Darwin auf Erden oder der Herrgott im Himmel die bessere Erklärung parat hat. Wenngleich es aus rationaler Sicht keine Zweifel an der „Entstehung der Arten“ mehr geben dürfte, zweifeln immer mehr Menschen an ihrer Abstammung vom Affen.
Ob den Evolutionskritikern anlässlich der Aktivitäten rund um den 200. Geburtstag von Charles Darwin die Erleuchtung kommen wird, ist fraglich, aber dringend geboten. Denn zwischen Religion und Naturwissenschaft muss es klare Grenzen eben.
Aber genau diese Trennlinie zwischen Rationalem und Irrationalem versuchen die so genannten Kreationisten mit allen Mitteln zu verwischen. Mit pseudowissenschaftlichen Traktaten, in denen Fossilienfunde ernsthaft belegen sollen, dass Hase oder Fledermaus schon immer so aussahen, wie wir sie heute kennen. Und in denen Darwin bisweilen als ungläubiger Ketzer und seine Theorie als gefährliches Hirngespinst gebrandmarkt wird. Kaum zu glauben, dass noch heute die gleichen Bannsprüche kursieren wie vor bald 150 Jahren, als der britische Biologe seine revolutionären Ideen veröffentlicht hat. In ihrer inquisitorischen Evolutionskritik sind sich sogar viele muslimische und christliche Fundamentalisten einig.
Weitaus gefährlicher wird die „Glaubensfrage“ aber, wenn Politiker und Wissenschaftler plötzlich den Karren der Kreationisten ziehen wollen. Dass die hessische Kultusministerin Karin Wolff letztes Jahr eine „neue Gemeinsamkeit von Religion und Naturwissenschaft“ festzustellen glaubte oder der thüringische Ministerpräsident und studierte Physiker Dieter Althaus ein evolutionskritisches Lehrbuch als „sehr gutes Beispiel für werteorientierte Bildung“ lobte, ist schon mehr als bedenklich. Verfasst wurde es von dem an der TU München lehrenden Mikrobiologen Siegfried Scherer, der dafür den Deutschen Schulbuchpreis erhielt. Im Vorwort der ersten Auflage des Unterrichtswerks hieß es: „Diese Arbeit ist der erste Versuch im deutschen Sprachraum, den in der Schule gebrauchten Argumenten für Evolution eine auf der Schöpfungslehre beruhende Gegenposition beizugeben.“ Auch wenn „diese Arbeit“ bislang nicht offiziell als Lehrbuch zugelassen ist, haben bislang über 40.000 Exemplare ihren Weg zu gläubigen Lehrern und Schülern gefunden.
Wer mit vermeintlich „rationalen“ Argumenten nicht zu ködern ist, den möchten Schweizer Geschäftsleute mit Event und Emotion locken. Und zwar in einem biblischen „Erlebnispark“ mit nachgebauter Arche Noah in „Originalgröße“ und multimedial simulierter Sintflut. Bis dato existiert davon nur ein virtuelles Modell. Aber die Genesis-Land AG lässt seit diesem Jahr nicht locker, um irgendwann 50 Hektar deutschen Bodens in eine Welt zu verwandeln, in der uns per „Zeitreise die Geschichte der Menschheit, von der Schöpfung bis zur Vollendung“ erklärt wird. Natürlich exakt so, wie es die Heilige Schrift „wahrheitsgemäß“ verbürgt. Jeder darf glauben, was er will. Aber jeder sollte wissen, dass weder die Bibel noch der Glaube an einen „intelligenten Schöpfer“ die Evolutionstheorie ersetzen können. Und Darwins Modell bleibt so lange gültig, bis ein anderes bewiesen und nicht nur geglaubt wird.