Irrfahrten

Kolumne April 2011

Kürzlich hatte mich ein Alptraum unter die Räder des Jahres 2030 gebeamt. Der ewige Bernie Ecclestone – gegen eine Riesenkaution nach seiner Festnahme im Münchner Bestechungsskandal längst wieder auf freiem Gasfuß – feierte seinen Hundertsten inmitten seiner Boxenluder auf der brandneuen Formel-1-Strecke in Tripolis. Sebastian Vettel hatte sich schon früh von Vettel-Heppenheim in sein Schweizer Steuerparadies zurückgezogen.

Nur unser aller Schumi näherte sich als Frührentner noch langsamer der Ziellinie, die weiterhin seinen Horizont markierte. Dabei hat er noch nie etwas von „sturen Limits“ auf unseren Straßen gehalten. In meinen Träumen waren die Staus nicht nur zur Urlaubszeit Hunderte von Kilometern lang und die Spritpreise hatten die 5–Euro-Marke längst überschritten. Nur die Verrückten waren noch immer die gleichen, die Klima-Temperaturen allerdings bereits um drei Grad gestiegen.

So viel steht heute schon fest: Von der Autoversessenheit und dem Rennfieber ist die mobilitätssüchtige Menschheit noch lange nicht geheilt. Um dieser Leidenschaft einen grünen Anstrich zu geben, soll nach den Ökoträumen von EU-Kommissar Antonio Tajani und FIA-Präsidenten Jean Todt neben den bulligen Benzinboliden auch smarte Elektrorenner die Formel1-Strecken umkreisen? Elektromobilität soll gesellschaftsfähig werden, so das ebenso schönfärberische wie naive Ziel. Der Spott Tausender Formel-1-Narren ist ihnen schon jetzt sicher. Da läge ja der Spaßfaktor beim Autoskooter noch um Quanten höher, liest man in einschlägigen Fan-Blogs. Andere verhöhnen die „Ökoserie“ als lustigen „Pausenfüller“ zwischen der eigentlichen Raserei der Königsklasse. Nicht das „Säuseln der leisen E-Motoren, sondern der Sound aus mindestens acht Zylindern“, heizt die Fans an. Klimakiller Kohlendioxid hin oder her.

Was will man von Autonarren erwarten, die auch noch Mitglieder eines ebenso verrückten Vereins sind, der stets „Freie Fahrt für freie Bürger“ gepredigt hat. Unter dem Deckmantel der Hilfsbereitschaft und Fortschrittlichkeit verbirgt sich seit Jahren einer der mächtigsten Lobbyisten, der eine wachsende Gefahr für Mensch und Natur darstellt. Ein bundesweites Tempolimit bremst der ADAC bis heute erfolgreich aus. Selbst der tödliche Sandsturmcrash bei Rostock hat die Automobilpaten nicht von ihrem Glauben abgebracht. Als Aktionismus bezeichnete ein ADAC-Sprecher lapidar die unmittelbaren Forderungen nach einer Geschwindigkeitsobergrenze auf deutschen Autobahnen. 

Wer die Sicherheit seiner Mitglieder so sorglos kommentiert, der macht sich freilich noch weniger Sorgen um deren Umwelt. Der ADAC ermittelte im letzten Jahr 185.000 Staus mit einer Gesamtlänge des zehnfachen Erdumfangs. Ein Plus von 32 Prozent gegenüber 2009. Das Stauproblem ist, dreimal darf man raten, natürlich nicht dem wachsenden Verkehrsaufkommen, sondern zu vielen Baustellen und dem schleppenden Ausbau der Autobahnstrecken geschuldet. Was heißt hier Natur, her mit den Straßen, heißt das Mobilitätmotto. Beflügelt durch die vom ADAC unterstützten Rennen aller Klassen: angefangen bei der Einstiegsdroge Kart bis hin zur harten Droge Deutsche Tourenwagen Masters. Klimazerstörung als Spaßevent und die Gelben Engel als ihre Schutzpatrone. Vertrauen ihnen die Schutzbrieflinge auch weiterhin, dann wird aus meinem anfangs geschilderten Alptraum wohl oder übel traurige Wirklichkeit.

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