Kolumne Mai 2011
„So verbrennen die Griechen die schönen Euros“ oder „Hier bettelt der Grieche um unsere Milliarden“. So hetzt seit Wochen das größte deutsche Massenblatt gegen die vermeintlich geldgierigen „Pleite-Griechen“. Nicht bestimmte Politiker oder Staatsbeamte werden für die Finanzkrise angeprangert, sondern gut elf Millionen Griechen.
BILD und viele andere Blätter interessieren sich kaum für die wahren Schuldigen. Die ganze Nation bietet ein viel besseres Feindbild. „Faule“ und „dumme“ Griechen geben dem europäischen Volkszorn immer neue Nahrung. Unter einem abstrakten und desaströsen Finanzsystem kann sich eben niemand etwas vorstellen.
Glaubhafte Solidarität Europas sucht man nicht nur in der veröffentlichten Meinung vergebens. Auch viele europäische Staatschefs und Währungshüter wollen von Griechenlands Notlage profitieren. Wenn sie vom europäischen Zusammenhalt und von Griechenlands Rettung schwafeln, geht es in Wahrheit um die Rettung der eigenen Staatshaushalte, sowie vor allem den Schutz der Banken und Spekulanten. Auch um den Reibach, der sich aus der Nachbarschaftskrise schlagen lässt. Nicht ohne Hintergedanken fordert der Internationale Währungsfonds (IWF) von „den Griechen“ nun zusätzliche Privatisierungen. Statt dem griechischen Staat wirklich gerechte und profitable Steuergesetze zu empfehlen, die auch die orthodoxe Kirche und die Reichen endlich zur Kasse bitten, setzt der IWF auf den Totalausverkauf. Rentable Energieversorger, Wasserwerke, Häfen, Lotteriegesellschaften sollen im Notverkauf an ausländische Investoren verschleudert werden, damit Schulden bei hiesigen Gläubigern beglichen werden können. Das neoliberale Prinzip feiert noch immer fröhliche Triumphe: Erst ruinieren wir das Land, dann teilen wir uns das verbliebene Tafelsilber. So sehen „feindliche Übernahmen“ der klassischen Art aus, u.a. beraten von der Deutschen Bank (!) und Credit Suisse.
Dabei kann hierzulande jeder besichtigen, welche Folgen die Privatisierung vieler staatlicher Unternehmen langfristig hat. Von ausgeglichenen Haushalten, besserem Service und niedrigeren Preisen träumten die Kommunen. Als sie erwachten, war es meist zu spät, der Schuldenberg trotzdem angewachsen und der Bürger der Dumme. So kämpfen schon seit Jahren die Berliner um die Rekommunalisierung ihrer Wasserwerke, um sich gegen die ständig gestiegenen Preise zu wehren. Einige Städte und Gemeinden konnten ihre einst verscherbelten Unternehmen wieder zurückkaufen. Mit langfristigem Nutzen für die Haushalte und den Bürger. Im hessischen Main-Kinzig-Kreis sollen die Strom- und Gasnetze wieder in Eigenregie betrieben werden und die privaten Energieversorger in Baden-Württemberg ihre Monopolstellung verlieren.
Der öffentliche Kampf gegen die Privatisierung ist zwar im Gange, aber noch lange nicht gewonnen. Die Aufhebung des deutschen Staatsmonopols auf Lotto und Wetten durch die Europäische Union im letzten Jahr hat gezeigt, in welche Richtung die Weichen weiter gestellt werden sollen: Ausrichtung auf mehr Privatisierung und weniger Gemeinwohl. Griechenland und Europa ist aber nicht mit mehr Neoliberalismus geholfen. Mit polemischen Parolen ruiniert man das Vertrauen zum europäischen Nachbarn, mit durchsichtigen Privatisierungen und dem Zwang, mitten in der Rezession derart rigoros zu sparen, endgültig den griechischen Staatshaushalt.