Der Frieden gefährdet Arbeitsplätze

Kolumne 22. Juli 2011

Der Zeitpunkt für den Export deutscher Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien fällt auf ein privat-politisches Jubiläum. Vor genau dreißig Jahren berichtete der Spiegel über eine Hausdurchsuchung bei der Firma Rheinmetall in Düsseldorf. Es bestand der dringende Tatverdacht, dass der Rüstungskonzern mit illegalen Lieferungen gegen das Kriegswaffen-Kontrollgesetz verstoßen hatte. Ich nutzte das den Artikel illustrierende Foto mit fünf Rheinmetallmanagern, von denen jeder strahlend eine großkalibrige Patrone für die Feldhaubitze FH 70 im Arm hält. Meinen Kommentarsatz hatte ich einem populären Werbeplakat der Bundesbahn entlehnt und brauchte ihn nur leicht zu verändern, um eine meiner folgenreichsten juristischen Konflikte auszulösen:  „Alle reden vom Frieden. Wir nicht.“

Eine Anwaltskanzlei stellte fest, dass ich ihre Mandantin Rheinmetall erheblich diskriminiert hätte, deren Tätigkeit doch „gerade der Erhaltung des Friedens“ diene. Das Landgericht wollte dieser Argumentation nicht folgen, da ja auch bei Nutzung des Bahn-Slogans niemand behaupte, „die Bundesbahn sei für schlechtes Wetter.“ Auch das OLG Karlsruhe wies die erneute Beschwerde zurück und verteidigte auf beeindruckende Weise Satire und Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik.

Daran muss ich in diesen Wochen denken. Rheinmetall ist wieder mit im Geschäft, sie liefert Kraus-Maffei Wegmann immerhin die Kanone für den Leopard.

Und die Rheinmetallmanager freuen sich schon auf den nächsten Deal. Denn der Bundessicherheitsrat soll schon grünes Licht gegeben haben, um im Gemeinschaftsunternehmen mit MAN Projekte im stolzen Umfang von 10 Milliarden Euro in Algerien zu realisieren. Dass sich sicher auch alle Mitarbeiter der Rüstungsfirmen samt ihrer Gewerkschaft über die Aufträge freuen dürften, soll nicht verschwiegen werden.

Das Stockholmer Institut für Friedensforschung Sipri hat errechnet, dass sich die deutschen Waffenexporte im letzten Jahrzehnt verdoppelt haben und unser Land vom fünften auf den dritten Platz im weltweiten Wettbewerb der Erbauer von Kriegsgerät aufgestiegen ist. „Der Frieden gefährdet Arbeitsplätze“ hatte ich 1978 ein Plakat betitelt. Kommen die Geschäfte zustande, können Teile unserer 80.000 in der Rüstungsindustrie tätigen Mitbürger erst einmal aufatmen. Indem der Bundessicherheitsrat als Exportgenehmigungs-Gremium etwas großzügiger mit der leidigen Menschenrechtsfrage umgeht, sichert er ein gewaltiges Konjunkturprogramm. 


Ein notwendiges verbindliches Gesetz über Waffenexporte ist nicht abzusehen – dafür werden die zuständigen Lobbyisten in vertraulichen Gesprächen in der Umgebung des Bundestages schon sorgen. Insofern hat der Leopardendeal wenigstens Klarheit geschaffen. Sowohl der Verteidigungsminister als auch der Arbeitgeberpräsident promovieren jetzt Saudi-Arabien unisono zum „Stabilitätsfaktor“ im exklusiven Kreise unserer Verbündeten. In Sonntagsreden werden das Bekenntnis zu Demokratie und Freiheit beschworen. Wenn es aber darauf ankommt, stellen wir uns klar auf die Seite aller waffenimportwilligen und zahlungskräftigen Diktaturen. Die angebliche Verbundenheit mit den demokratischen Bewegungen in der arabischen Welt wird so zur Farce. Im Kampf um Arbeitsplätze und warme Stuben schlagen wir uns schnell auf die Seite der Unterdrücker und hebeln mal eben auch noch die Rechte des Parlaments aus. Eine schöne Demokratie ist das.

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