Kolumne 1. März 2012
Die in Schleswig Holstein wissen wie es gemacht wird, um an das große Geld heranzukommen. Denn seit heute sind an der Kieler Förde andere Gesetze gültig als im südlichen Restdeutschland. In Sachen Glücksspiel hat die schwarz-gelbe Koalition die Karten neu gemischt und den Markt so gut wie durchliberalisiert.
Im Gegensatz zu den anderen Bundesländern, wo nur 20 private Anbieter für Onlinelotto und Sportwetten zugelassen werden sollen, macht Schleswig-Holstein alle Tore für das Online-Casino auf. Pokern im Internet soll bald norddeutscher Volkssport werden. Schon über 90 Glücksspielanbieter stehen in der Warteschlange nach einer der begehrten Lizenzen.
Die Lobbyisten aus der Zockerzunft haben sich durchgesetzt und die CDU-Fraktion im Landtag lässt verlauten, dies sei der „einzig richtige, weil europarechtskonforme Weg, den Glücksspielmarkt zu regulieren und einen fairen Wettbewerb in Europa zu ermöglichen.“ Nun seien die anderen 15 Bundesländer an der Reihe, es den Nordlichtern gleichzutun.
Aufgehoben ist damit auch das bisher geltende Werbeverbot. Der VFB Lübeck spielt zwar nur in der vierten Liga – aber sponsorenmäßig sind sie ganz oben in der Tabelle angekommen, seit ihr traditionsreiches Stadion an der Lohmühle jetzt den Ehrennamen „Poker.Stars.de“ tragen darf. Bringt immerhin 120.000 Euro plus pro Jahr.
Es mag gute Gründe gegeben haben, die Werbung für das Glücksspiel ähnlich restriktiv zu behandeln wie für andere Drogen. Internet-Casinospiele und Online-Poker stehen mit ihrem hohen Suchtpotential nicht umsonst auf der schwarzen Liste der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Aber wo so viel Geld im Umlauf ist, da findet sich immer auch ein Weg. Der Jahresumsatz des weltweiten Web-Casinos wird für 2015 auf 200 Milliarden Euro geschätzt. In Deutschland gibt die Netz-Poker-Gemeinde derzeit 340 Millionen Euro aus – viel mehr als für Sportwetten. Dieses Geschäft möchte sich Schleswig-Holstein nicht entgehen lassen, zumal zwanzig Prozent des Online-Poker-Reinertrags direkt in die Staatskasse fließen. Ob das Kieler Modell der wundersamen Geldvermehrung bundesweite Nachahmer findet, wird auch davon abhängen, wie es gelingt, alle ernstzunehmenden Vorbehalte gegen Internetkriminalität, Geldwäsche, Kontenausspähung, Missachtung der Altersgrenze und Vergrößerung der Suchtgefahren auszuräumen. Jedenfalls haben die Liberalisierer in der Kieler Regierung im „Forschungsinstitut Glückspiel und Wetten“ in Sankt Augustin ihre engsten Mitstreiter im Kampf gegen den „unregulierten Markt“. Deren Studie hätte gefälliger nicht ausfallen können. Sie liest sich so, als sei die massenhafte Lizenzvergabe an die Pokerfirmen geradezu ein Akt zur Förderung der Volksgesundheit.
Am Ende bleibt zu fragen: was wird aus den Einnahmen? Werden sie, wie es bei den staatlich beaufsichtigten Lottogesellschaften üblich war, auch für Zwecke des Gemeinwohls verwandt? Können Sport und Kulturprojekte, die ihre letzte Hoffnung auf Finanzierung bislang auf die Ausschüttung der Lottogelder setzten, auch weiterhin gefördert werden? Oder landet das Geld vom Spieltisch in Zukunft gleich in den Löchern der Steuerausfälle?
Offenbar hat die Poker-Lobby das bessere Blatt in der Hand. Seit der Glücksspiel-Staatsvertrag vor zwei Jahren sehr zuungunsten der staatlichen Lotterie-gesellschaften novelliert wurde, muss darum gefürchtet werden, dass sie sich nicht weiter mit rund drei Milliarden Euro pro Jahr für gemeinnützige Zwecke engagieren können.