Kolumne August 2012
Lange Zeit glaubte ich, ohne Mobiltelefon alias Handy auskommen zu können, machte mich lustig über die ersten Geräte in Form und mit dem Gewicht eines flachen Briketts. Dann bekam ich eines geschenkt. Jemand glaubte, eine umtriebige Person wie ich könne sich dem technischen Fortschritt auf Dauer nicht verweigern.
Dabei war ich doch schon mit dem Göttinger Drucker und Verleger Steidl in die Liga der Telefax-Pioniere aufgestiegen. Wir begriffen sofort, dass diese Erfindung unsere Kommunikation beflügeln würde. Trotz des anfangs umständlichen Verfahrens mit Hin- und Rückruf-Präsenz und dem Einspannen von Spezialpapier. Jedenfalls konnten wir fortan auf den ständigen Austausch von Eilbriefen verzichten. Den Druckvorgang meiner Plakate und Postkarten konnte keine Post mehr aufhalten. Keine Atempause, es ging voran!
Dass eine Weltfirma das Revolutionäre dieser Technik mit Rücksicht auf ihre Telex-Fernschreiber nicht erkannte und die Patente an die in diesen Dingen allzeit offenen Asiatenabgab, gehört zu den verdrängten Geschichten im Technikwunderland Deutschland.
Den gelegentlich hämischen Bemerkungen über meinen verspäteten Eintritt ins Handyzeitalter begegnete ich mit dem Hinweis, ich brauchte dieses Gerät, um als überzeugter Dauerbahnfahrer den allerorten Wartenden die leider allzu häufigen Verspätungen der Züge noch rechtzeitig mitteilen zu können.
Generationen später ist das transportable Telefon wesentlich kleiner geworden. Hängen geblieben bin ich jedoch bei einem vor Jahren erworbenen Schiebe-Handy, das zwar meine bescheidenen Bedürfnisse voll erfüllt, gegenüber all den hochgerüsteten iPhones, Smartphones und Tablet-PCs geradezu prähistorisch anmutet. Wieder muss ich diese mitleidigen Blicke der Mobilefreaks unerwidert hinnehmen, wenn ich in der Bahn und anderswo mein Gerät heraushole.
Wie abhängig ich inzwischen von diesem technischen Hilfsmittel bin, erlebte ich jetzt während einer Ausstellungstournee durch einige Ostseebadeorte. Es geschah in Z. . Auf die Robustheit und der unterstellten Schutzfunktion deutscher Strandkörbe blind vertrauend ließ ich mein Oldy im Mietobjekt liegen, nicht ahnend, dass ein Wolkenbruch mit der Kraft derzwei Gewitter den Innenraum samt Handy derart unter Wasser setzte, dass alle elektronischen Angebote außer Kraft gesetzt wurden.
In einem Anfall von Panik orderte ich noch am selben Abend bei ebay ein typgleiches Modell für 49,90 Euro. Der nächste Schritt: Kleingeld hortend Z. nach öffentlichen Telefonzellen absuchen. Der erste vermutete Standort, an dem sich bei früheren Ortsbegehungen regelmäßig Warteschlangen bildeten, existiert nach Auskunft Ortsansässiger schon lange nicht mehr. Schließlich wurde ich im Zentrum dreimal fündig. Für Kurzmitteilungen an die wichtigsten Bezugspersonen, dass ich für eine Übergangszeit, es war ein Wochenende, rein handymäßig nicht erreichbar sei.
Am Montag dann das Wunder von Z. .Nach intensiven Fönbehandlungen und unzähligenvergeblichen Schiebeversuchen inklusive Aus- und Einbau von Akku und Sim-Karte warenplötzlich alle Funktionen des mausetot geglaubten Begleiters auf wundersame Weise wieder einsatzbereit. Mein Handy hatte sich über das Weekend nur eine Auszeit genommen.
Jetzt besitze ich zwei Steinzeit-Handys im Kampf gegen alles Miese und Fiese. Ob dieser Realbeweis für die Langlebigkeit ihrer Produkte die koreanische Herstellerfirma freuen wird, wage ich jedoch zu bezweifeln.