Kulturkampf

Kolumne Juni 2013

Allen rituellen Beschwörungen der Kulturnation Deutschland zum Trotz: Kunst und Kultur sowie das sie tragende Personal werden derzeit gleich aus zwei Richtungen attackiert. Die Rede ist von der Künstlersozialkasse (KSK) und dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA auf dem Wege zu einem transatlantischen Wirtschaftsblock. Es kommt nicht häufig vor, dass kulturelle Angelegenheiten im Wirtschaftsteil der Zeitungen landen.

Am 5. Juni hat der Bundestagsausschuss für Kultur und Medien eine Entscheidung getroffen, die schwerwiegende Folgen für die soziale Absicherung von inzwischen 120.000 KünstlerInnen haben kann. In dem Gesetzesentwurf zur Neuregelung bundesunmittelbarer Unfallkassen ging es um die Verpflichtung der Deutschen Rentenversicherung zur regelmäßigen Überprüfung abgabepflichtiger Unternehmen. Weil in letzter Zeit nur noch sporadisch geprüft wurde, drohen der KSK erhebliche Einnahmeverluste mit der Folge, dass für die Abgabenzahler die Beiträge steigen müssen. Der nun mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP gefasste Beschluss verweigert dieser dringend erforderliche Regelung die Zustimmung.

Diese Entscheidung stürzt die KSK in eine voraussehbare Schieflage und ist ein Signal an alle, die sich  ihrer Abgabepflicht entziehen wollen. Wer trotz gesetzwidrigen Verhaltens keine Sanktionen mehr befürchten muss, klinkt sich um so leichter aus der Solidargemeinschaft aus. Die Dummen sind wieder einmal Unternehmen, die ihren Verpflichtungen nachkommen. Schließlich müssten sie die Ausfälle kompensieren.

Das auf Betreiben der Sozialdemokraten Dieter Lattmann und Herbert Ehrenberg 1983 in Kraft getretene Künstlersozialversicherungsgesetz ist jenseits aller kulturellen Wolkenschieberei das Beste, was jemals eine Partei zur sozialen Sicherung der Kulturschaffenden beigetragen hat. Eine Erfolgsgeschichte, die jetzt in Frage steht. IHK und Unternehmerverbände im Verbund mit den Marktradikalen in der FDP wollten das alles nie und sehen sich nun ihrem Ziel näher.

Um ähnlich Grundsätzliches geht es bei dem Freihandelsabkommen der EU mit den USA. Bisher war Konsens, dass Deutschland neben Frankreich die Kultur wegen ihres von der Verfassung geschützten Status aus internationalen Handelsverträgen ausgenommen haben. Jetzt hat das für Handel zuständige Wirtschaftsministerium unter Philipp Rösler eine Kehrtwende vollzogen. Aber, wem das Wahlwasser bis zum Hals steht, der nimmt kaum Rücksicht auf eine gefühlt überschaubare Wählerschar.

Worum geht es? Im Zentrum der Auseinandersetzung steht die europäische Film- und Musikförderung. Die US-Kulturindustrie samt Hollywood ist der zweitgrößte Exportartikel. Die USA sind im Vorteil, weil in ihrem großen einsprachigen Markt die Produkte meist schon abgeschrieben sind, wenn sie in den Export gehen; sie können billiger angeboten werden als die europäischen, denn wegen der Vielsprachigkeit sind in Europa die Märkte zu klein für eine nationale Amortisierung. Die EU ist der UNESCO-Konvention zum Erhalt der kulturellen Vielfalt beigetreten. Die EU-Staaten wenden Fördermittel auf, um die Kultur überlebensfähig zu machen. Das empfinden die Amerikaner als Diskriminierung, die sie im Rahmen des Abkommens abschaffen wollen. Nachdem unsere Regierung umgefallen ist, tritt nur noch Frankreich dafür ein, die Kultur von Beginn an aus den Verhandlungen auszunehmen. Die deutsche Wirtschaft will ohne Ausnahmen in die Verhandlungen gehen. Dennoch: Wir dürfen nicht die Vielfalt unserer Kultur dem Freihandelsakommen opfern.

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