Kolumne 22. August 2013
Der Untersuchungsausschuss zum Nationalsozialistischen Untergrund hat nach 19 Monaten ein 1000-Seiten-Dokument vorgelegt, dessen Aussagen von allen im Bundestag vertretenen Parteien getragen werden. Das wurde zurecht als Akt funktionierender Demokratie gewürdigt. Doch die Kernthese vom „bis dahin unvorstellbaren Versagen“ vor allem der Geheimdienste und der Polizei löst alles andere als eine beruhigende Wirkung aus.
Der Untergrund ist keinesfalls bereinigt, im braunen Schlamm suhlt es sich immer noch ganz passabel.
Als der Mob von Hellersdorf in die Fernsehkameras pöbelte und die NPD den besorgten Bürgern „Unterstützung im legitimen Protest“ versprach, da konnte man im perfidesten Hetzorgan deutscher Sprache, dem Internetportal „Altermedia“, lesen, dass es sich bei den Flüchtlingen lediglich um „Menschenmüll“ handle und falls das Asylheim demnächst abgefackelt wird, es um den Plattenbau nicht schade sei.
Vor einiger Zeit ist es gelungen „Thiazi.net“, ein ähnliches Stürmer-Kampforgan abzuschalten. Vier seiner Betreiber erwartet wegen Volksverhetzung in mehreren hundert Fällen ein Gerichtsverfahren. Die Beiträge der „germanischen Weltnetzgemeinschaft“ lassen sich jedoch nicht so einfach tilgen. Im „Globalecho“ haben Thiazi-Texte und ihre Autoren ein neues Medium gefunden.
„Altermedia“ hingegen sendet weiter und hat dank seiner Werbeeinnahmen offenbar noch einen langen Atem. Eine der Hauptfirmen, die Altermedia am Leben hält, ist das Nazi-Klamotten-Label „Ansgar Aryan“. Seine Betreiber sitzen zwischen Oberhof und Oberpfalz, sie haben Namen und auch Adressen, von wo aus sie den florierenden Internetversand organisieren. Hit dieses Sommers war die Wiederauflage des schwarzen T-Shirt-Klassikers „Nach Frankreich fahr’n wir nur auf Ketten“. Auf der Rückseite liest der staunende Franzose in seiner Muttersprache „Verdammt, die Deutschen kommen!“. Doch damit hört der Spaß noch nicht auf. Der Werbespruch „Ein tolles Top mit eindeutiger Aussage, rechtlich absolut unbedenklich“, gilt einem Kleidungsstück mit der Aufschrift „Svastika“. Also nicht das Zeichen des Hakenkreuzes sondern sein Begriff. Modische Accessoirs für eine Jugendkultur, die sich nicht nur in einem lebenslang sichtbaren 18- oder 88-Tattoo in Führerverehrung erschöpft sondern durchaus auch cool daherkommt. Das ist ganz im Sinne einer Bewegung, die sich Autonome Nationalisten nennt. Ihre Mitglieder gerieren sich als aggressivster Teil der extremen Rechten ohne als solche auf den ersten Blick erkennbar zu sein. Im Outfit und in den Aktionsformen kopieren sie die linke Szene, in Nazi-Demonstrationen bilden sie „Schwarze Blöcke“. Kapuzenpullover und einheitliches Schwarz soll Polizei und Fotografen die Identifizierung erschweren. Sie propagieren das Do it yourself-Prinzip, jeder solle „aktiv und kreativ politische Arbeit betreiben“, ohne an feste Organisationen gebunden zu sein. Dies habe den Vorteil, „dass Strukturen, die es offiziell gar nicht gibt, nicht verfolgt oder gar verboten werden können“, heißt es in einer Handlungsanweisung, die man auf den Internetseiten der „neuen und modernen nationalen Sozialisten“ nachlesen kann. Das Bundeskriminalamt warnt inzwischen, die AN habe das Potential selbstradikalisierter Einzeltäter mit Tendenz zur Bildung terroristischer Kleingruppen. Ein Haufen, der sich in rasender Geschwindigkeit radikalisieren kann, kennt kein Gewalttabu. An diese Lehre aus dem NSU-Terror muss sich die Gesellschaft stets erinnern.