Kolumne 15. August 2013
nennen die Ghanaer die Giftmüllhalde inmitten ihrer Hauptstadt. Eine internationale Müllmafia profitiert davon, dass immer noch der überwiegende Teil des Elektronikschrotts aus Industrieländern exportiert wird. In Ghana wie in Nigeria sind es vorwiegend Kinder und Jugendliche, die ihre Gesundheit bleibend schädigen, weil sie bleihaltige Röhrenfernseher und alte Computerteile zerlegen, deren Plastikgehäuse unter Freisetzung von Dioxin verbrennen, um Kupfer und Edelmetalle zurückzugewinnen.
Viele Familien am Rande der Luft und Wasser verpestenden Deponien leben von den kargen Einkünften der minderjährigen Müllarbeiter. Allein Deutschland, so Schätzungen, verlassen jährlich mehr als 100.000 Tonnen illegaler Elektronikschrott, weil das seit 2005 gültige Entsorgungsgesetz es immer noch ermöglicht, den als „alte Gebrauchsgeräte“ deklarierten Müll hiesigen Recyclingprozessen zu entziehen.
Die USA haben als eine der wenigen Industrienationen bis heute noch nicht das vor mehr als 20 Jahren beschlossene Basler Abkommen ratifiziert, das den Elektronikschrott-Export zu Lasten der Verursacher unterbinden soll, weshalb sich dieses Land 80% seiner E-Abfälle auf eine der zivilisierten Welt unzumutbare Weise entledigt. Mal sehen, wie die Teilnehmer am Transatlantischen Freihandelsabkommen mit den Forderungen ihrer amerikanischen Partner umgehen werden, möglichst viele der für die Profitrate ungünstigen aber in Europa gültigen Umweltauflagen abzubauen.
Das vor zwei Jahren von der UNICEF als Foto des Jahres ausgezeichnete Bild aus der Serie eines deutschen Fotografiestudenten, der das „Sodom und Gomorrha“ eindringlich dokumentiert hat, sollte auch auf der nächsten Berliner IFA, der weltgrößten Elektronikmesse, als Memento des wissenschaftlich-technischen Fortschritts zu sehen sein. Darauf abgebildet eine Junge, der auf der dampfenden Müllkippe von Accra gerade eine TV-Röhre zertrümmert. Es könnte als Kommentar zu einem sich immer heftiger beschleunigenden Innovationsrennen dienen, mit immer kürzer werden Zyklen angesagter Topmodelle, die morgen schon auf die Kippe gehören, weil sie weder dem letzten 3-d-Standard entsprechen, noch „smart“, also internettauglich, noch ultra-hochauflösend sind. Die Verkäufer deutscher Fernseher haben weniger ein Problem damit, dass gerade eine der letzten einheimischen Traditionsmarken Gläubigerschutz anmelden musste, sondern eher mit einer Kundschaft, die nicht schnell genug die Modelle wechselt, obwohl sich schon 70% der Deutschen demnächst einen noch größeren Flachbildschirm bis zu 1,40 Meter Durchmesser anschaffen wollen. Ziel der Branche ist es, dem Kunden jederzeit klar zu machen, dass er heute noch etwas kaufen muss, was doch morgen bereits nicht mehr dem non-plus-ultra entspricht. Der moralische Verschleiß, das modische Empfinden, nicht mehr dem Trend zu entsprechen, soll das Konsumverhalten immer mehr beeinflussen. Der Wunsch nach Nachhaltigkeit, nach der Sicherheit, ein Gerät gekauft zu haben, das mit dem gleichen Flachbildschirm auch noch in 10 Jahren allen Anforderungen genügt, das sind die eigentlichen Giftstoffe für den Elektronikmarkt. Apple hat es allen vorgemacht, dass Halbwertzeiten seiner Produkte mit dem „i“ von 2-3 Jahren von einer dankbaren Kundschaft akzeptiert und voll funktionsfähige Geräte der Vorgängergeneration laut Verkaufsstrategie als Schrott deklariert werden. Ein vergifteter Apfel.