Kolumne Oktober 2013
Was für ein Auftritt. Welche Bilder. CDU samt CSU als gemischtes Doppel in überbreiter Formation, einem Rollkommando gleich, auf dem Weg zum ersten Schnupperkursdate, den Kameras entgegen. So sehen Sieger aus. Wie bürgerlich-bieder dagegen das Bild der sieben wenig glorreichen sozialdemokratischen Unterhändler vor der zunächst geschlossenen Tür der Parlamentarischen Gesellschaft, die Klingel suchend. Wohin die Reise gehen soll, machten spätestens die Fernsehbilder dieser beiden Ortstermine deutlich.
Schließlich bleibt den Sozialdemokraten nur die komfortable Wahl zwischen Pest und Cholera. Wobei die erste meist tödlich endet, die andere nicht immer. Was die Sozis auch tun – das Rudel der medialen Verfolger wird jede Entscheidung als Niederlage interpretieren. Denn die Jäger werden sich ihre im Wahlkampf eroberte Deutungsmacht von niemandem mehr nehmen lassen.
Da wird zunächst überlaut die staatsbürgerliche Verantwortung der Sozialdemokratie angemahnt. Das auch von Leuten, an deren Verantwortungsbewusstsein durchaus berechtigte Zweifel bestehen. Prophylaktisch wird die SPD für die Unregierbarkeit der Republik verantwortlich gemacht, sollte sie sich der Rolle des Juniorpartners in einer großen Koalition verschließen. Welche Anmaßung, ja Frechheit, der ältesten demokratischen Partei Deutschlands für den Fall der Fälle zu unterstellen, die vaterlandslosen Gesellen stellten ihre Partei über das Schicksal der Nation.
Dabei ist die politische Lage überschaubar. Frau Merkel und ihrer CDU fehlen wenige Stimmen zur absoluten Mehrheit. Deshalb ist sie – und niemand sonst – auf Partnersuche. Machen es die Grünen nicht, bleibt im demokratischen Angebot immer noch die Option einer Minderheitsregierung. Die nordischen Staaten haben mit diesem Modell nicht die schlechtesten Erfahrungen gemacht. Nur den hasenfüßigen Deutschen beschert es Untergangsphantasien vom Ende aller scheinbaren Gewissheiten und Bequemlichkeiten.
Was tut die SPD? Das Naheliegende. Um sich nicht dem inflationär erhobenen Vorwurf einsamer Entscheidungsfindung auszusetzen, vertraut sie dem Votum ihrer Mitglieder. Welche Perfidie, an diesem urdemokratischen Vorgang etwas Anstößiges zu finden. Wer dieses Prozedere kritisiert, sollte sein eigenes Demokratieverständnis hinterfragen.
Es geht um das Recht auf Mitsprache als Mittel gegen Politikverdrossenheit und Kanzlerwahlvereine. In den diversen Talkshows mit ihren selbst ernannten Experten aus der Tiefe der Bevölkerung finden allerdings längst Parallelverhandlungen zum Regierungsroulette statt. Die Verfolger halten für den Fall, dass die Basis dem ausgehandelten Ergebnis ihre Zustimmung verweigert, schon ein Szenario bereit. So wurde in einer dieser TV-Gerichtssitzungen von einer journalistischen Edelfeder konstatiert, bei einer Niederlage sei selbstverständlich die gesamte Führungsebene fällig. Es ist also vorgesorgt.
Um das Erpressungspotential perfekt zu machen, wird den Sozis schon mal mit der Neuwahlkeule gedroht. Kaum sind die Wahlen vorbei, kriechen die Meinungsumfrager wieder aus ihren Löchern und bescheinigen der CDU einen noch höheren Wahlsieg und der untergegangenen FDP eine Auferstehung. Letzteres wäre allerdings wirklich ein Grund zum Fürchten.
Was bleibt? Der SPD in ihrem Dilemma starke Nerven zu wünschen und zu hoffen, dass sie unter den verschiedenen absehbar falschen Entscheidungen – die große Koalition ist eine davon –die für sie richtige trifft.