Rechtsrock und Richterroben

Kolumne 3. Juli 2014

Der Rechtsradikale Oliver Malina gehört zu den Gewinnern des letzten Wochenendes (siehe Kolumne vom 5. Juni). Wieder einmal ist es ihm gelungen, für rund 1200 martialisch aufgeputzte Skinheads, das beschauliche Nordharzer Dorf Nienhagen in eine braune Konzerthochburg zu verwandeln. Und dies mit ausdrücklicher Genehmigung des Magdeburger Oberverwaltungsgerichts (OVG), das in zweiter Instanz den Verbotsantrag der Verbandsgemeinde und die Beschwerde des Landkreises noch wenige Stunden vor Beginn des Spektakels zurückgewiesen hatte.

Die Begründung, mit der die vorherige Entscheidung des Verwaltungsgerichts gestützt wurde, verdient Aufmerksamkeit. In dem Verbotsantrag sei nicht genug berücksichtigt worden, dass das Konzert auch eine politische Meinungsäußerung darstelle und damit unter das Versammlungsrecht falle. Und als ob es noch der Erläuterung bedürfe, schiebt das OVG nach, diese Veranstaltungen dienten der Szene „als Propagandamittel und Kontaktbörse“ sowie der „Zurschaustellung rechtsradikaler Gesinnung“. Eventuell entstehenden Gefahren sei mit den Mitteln des Versammlungs- und Polizeirechts zu begegnen. Auf dem Dorffest, das parallel zum Einmarsch und Schaulaufen der Skins, gut geschützt durch 600 Polizisten aus drei Bundesländern, in der Ortsmitte stattfand, brachte es Rainer Straubing vom DGB auf den Punkt: mit dieser Argumentation seien die Magdeburger Gerichte Malinas Anwälten strikt gefolgt. Doch die Anerkennung eines Rechtsrock-Konzerts als öffentliche Versammlung könnte künftig für alle Nazi-Veranstaltungen gelten und man müsse aufpassen, dass Sachsen-Anhalt nun nicht endgültig diesen Ruf bekomme, hier sei eine Genehmigung besonders günstig zu haben. 
Vielleicht erleben wir im nächsten April die Probe aufs Exempel, wenn Neonazis an Führers Geburtstag ihr Recht auf politische Meinungsäußerung wahrnehmen wollen. Ist das der wehrhafte Staat, der sich von braunen Provokateuren jederzeit eine lange Nase drehen lässt? 
Innenminister Stahlknecht, der das Bürgerfest besuchte, war sich des Dilemmas bewusst. Gegenüber dem Initiator der Bürgerinitiative „Nienhagen Rechtsrockfrei“ Hans Christian Anders sagte er, dass ein Verbot durch das OVG nur dann erfolgt wäre, wenn der Staat eingestanden hätte, dass er die Sicherheit der Bürger nicht gewährleisten kann. Die auf ein solches Eingeständnis folgende Diskussion habe er nicht beschwören wollen.
Doch das Problem eines seit 2007 regelmäßig mit Rechtsrock und Aufmärschen der „Honour & Pride“-Szene terrorisierten Dorfes bleibt. Zwar wurde die Bürgerinitiative am Tag des Grundgesetzes für ihren Mut und ihr Engagement geehrt, doch Hans Christian Anders redet dem Innenminister ins Gewissen: “Der soziale Friede im Dorf ist gefährdet!“ Er hätte sich unter den 200-300 Demonstranten mehr Mitbürger aus dem Dorf gewünscht. Aber die einen würden vor jedem Konzert die Flucht ergreifen und die anderen dem Naziauftrieb inzwischen gleichmütig begegnen. Gut dass die Kirchengemeinden des Ortes und der Umgebung, dass Parteien, der DGB, das „Bürgerbündnis für ein gewaltfreies Halberstadt“ die Nienhagener solidarisch unterstützen. Denn nichts wäre schlimmer, als dass Normalität einzöge, wenn Konzertveranstalter Malina das nächste Mal zu einer Veranstaltung gemäß Artikel 8 des Grundgesetzes (Versammlungsrecht) nach Nienhagen einlädt und den Veranstaltungsort, die „Hopfendarre“, endgültig zur national befreiten Zone erklären kann.

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