Kolumne März 2016
Mit einer Mischung aus ungläubigem Staunen und Sorge beobachten viele Bundesbürger, wie sich in den USA der Multimilliardär Donald Trump auf dem Vorwahlen-Weg ins Weiße Haus von Sieg zu Sieg krakeelt. Einer der wichtigsten Bauklötze in seinem Feindbaukasten ist das blinde Agieren gegen „die Etablierten“, das Establishment, dessen höchst privilegierter Teil er ohne Zweifel selbst ist.
Nun haben wir in deutschen Landen noch keinen Wüterich vom Schlage eines Trump, der die politische Landschaft umpflügt. Doch das Misstrauen gegen die sogenannten Etablierten ist nicht nur an den Stammtischen abrufbar. Besonders nach dem Ergebnis der von den Medien zur kleinen Bundestagswahl hochgejubelten drei Landtagswahlen diente es als Erklärungsversuch. Etabliert ist nicht mehr nur ein Synonym für anerkannt, traditionell, krisenfest, sondern für abgehoben, verbraucht, überholt, jedenfalls von gestern.
Parteipolitiker, stehen schon länger pauschal unter Generalverdacht, verantwortlich für alles Miese und Fiese zu sein. Sie sind für viele immer häufiger Adressat für Verdächtigungen, auch der krudesten. Ungeklärt bleibt bisher die Frage, ab wann man denn etabliert ist? So kann der berechtigte Stolz der Sozialdemokraten auf ihren Kampf für Demokratie und Solidarität in ihrer langen Geschichte schnell zum Bumerang werden.
Ein Sonderfall bleiben die Bündnisgrünen. In wie vielen Legislaturperioden sie sich in welchen Konstellationen auch immer im etablierten Parteienbetrieb behauptet haben, sie schaffen es anscheinend mühelos, sich den Wählern als frische, unverbrauchte Alternative zum herkömmlichen Betrieb – deren integraler Bestandteil sie längst sind – anzudienen. Das muss ihnen erst einmal jemand nachmachen. Chapeau vor ihrem jüngsten grandiosen Wahlsieg in einem der traditionell tiefschwarzen Südstaaten. Und das mit einem Chef, der als Merkel-Überversteher CDU-Politik offenbar besser verkörperte, als das Original. Fortan heißt es: Von den Grünen lernen heißt siegen lernen!
Bei der ständigen Suche der Medien nach dem ‚Endlich was Neues‘-Phänomen waren die ‚Piraten‘ nur ein Zwischenspiel. Als ernstzunehmender politischer Faktor sind sie längst wieder vom Winde verweht. Gerade haben sich zwei übrig gebliebene Berliner Repräsentanten der FDP als neue Mitglieder angeboten.
Aber niemand sollte sich der Hoffnung hingeben, die Anhänger der derzeit noch im Höhenrausch triumphierenden AfD würden alsbald einen ähnlichen Weg in Richtung Versenkung gehen. Die Basis dieser Protestbewegung mit Pegida-Anschluss scheint breiter und für Gegenargumente kaum erreichbar. Die Wutbürger brauchten bisher gar kein Parteiprogramm als Weckruf für ihren Protest. Hätten sie allerdings die bisher bekannt gewordenen Bruchstücke des künftigen neoliberalen Programms gekannt, ein Teil der Wähler hätte sich sicher mit Grausen wieder von dieser Truppe abgewendet. Aber die Altherrenriege unter den Spitzenfunktionären von der Statur eines Gauland wird schon dafür sorgen, dass ihnen niemand ihre Lebensrestzeitaufmerksamkeit streitig macht, die ihnen die Medien im Übermaß zu Teil werden lassen.
Gefährlicher als das Gerede von den „Etablierten“ ist der Kampfbegriff vom „System“, das es zu überwinden gelte. Mit dieser Parole sind die Nationalsozialisten gegen Ende der Weimarer Republik gegen die Demokratie zu Felde gezogen. Auch jetzt kann mit dem verhassten System ja wohl nur der demokratische Rechtsstaat gemeint sein.