Die Zahl und Dichte von Kolumnen, die sich dem AfD-Thema widmen, hat unter den Ko-Autoren in den letzten Wochen beträchtlich zugenommen. Da stellt sich schon die Frage, ob wir der Höcke-Weidel-Partei nicht sogar einen Dienst erweisen, indem wir den Aufmerksamkeitsquotienten weiter in die Höhe und noch mehr Demokratieverächter in ihre Arme treiben. Andererseits: wer ständig die Frankfurter Rundschau liest, sollte sich einer gewissen Immunität sicher sein: auch diese Zeitung sorgt für anhaltendes Problembewußtsein, dass die Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen für die nächsten Jahre relevant bleiben wird.
Das Kampagnen-Netzwerk Campact hat auf Initiative des Physikers Indra Gosh eine Petition verbreitet, die in wenigen Wochen bis zum 21. Januar 2024 von mehr als 1,5 Millionen Unterstützern unterschrieben wurde. Damit ist ein nötiges Quorum erfüllt: Ab 50.000 Unterzeichnern müsste sich – wenn die Petition eingereicht werden würde – der Petitionsausschuss des Bundestags damit befassen und Gelegenheit zur Anhörung geben. Es geht darum, dem Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke die Grundrechte zu entziehen. Dafür müßte die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Grundrechtsverwirkung nach Artikel 18 Grundgesetz stellen. Die Petition richtet sich an die Fraktionsspitzen aller Bundestagsparteien (außer der AfD).
Um Extremisten die Grundrechte zu entziehen, muss deren Missbrauch „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ nachgewiesen werden. Über die Grundrechtsverwirkung kann ausschließlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Die Grundrechtsverwirkung ist neben dem Parteiverbot ein Instrument der „wehrhaften Demokratie“.
Das Online-Portal der SPD, „VORWÄRTS“, schreibt dazu:
Bundestag, Bundesregierung oder Landesregierung können Antrag stellen
Laut Grundgesetz können insbesondere die politisch relevanten Grundrechte entzogen werden, also Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, aber auch das Eigentumsrecht. Im Bundesverfassungsgerichtsgesetz ist zudem vorgesehen, dass auch das Wahlrecht und die Befugnis, öffentliche Ämter auszuüben, entzogen werden können. Nicht zuletzt darauf zielt die Petition im Vorfeld der Thüringer Landtagswahl, die für September geplant ist. Höcke ist Spitzenkandidat der AfD und will Ministerpräsident werden.Einen Antrag auf Entziehung der Grundrechte können laut Gesetz lediglich Bundestag, Bundesregierung oder eine Landesregierung stellen. Bürger*innen können also nur an die Staatsorgane appellieren, diesen Weg zu gehen.
Bisher gab es in Deutschland vier Anträge auf Entziehung der Grundrechte. Betroffen waren ausschließlich Rechtsextremisten: Otto-Ernst Remer (Vize-Vorsitzender der verbotenene Sozialistischen Reichspartei), Gerhard Frey (Verleger der Nationalzeitung) sowie die Neonazis Thomas Dienel und Heinz Reisz. Alle vier Anträge wurden vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt.
Auch wenn eine Karlsruher Entscheidung vor der Thüringer Landtagswahl schwierig zu realisieren wäre, würde der massive öffentliche Protest gegen die Kandidatur eines als Faschist auftretenden AfD-Politikers ein Zeichen setzen, dass die „wehrhafte Demokratie“ lebendig ist und verteidigt werden kann.
Im September wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Die AfD könnte erstmals stärkste Kraft in einem Bundesland werden, obwohl der Thüringer Verfassungsschutz diesen Landesverband bereits im März 2020 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat und im darauffolgenden Jahr zum erwiesen extremistischen Beobachtungsobjekt erklärte. Der Verfassungsschutzbericht 2022 des Freistaats Thüringen stellte fest: „Der AfD Landesverband Thüringen ist eine erwiesen rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Der Landesverband vertritt seit Jahren Positionen, die sich gegen die Menschenwürde, gegen das Demokratie- und gegen das Rechtsstaatsprinzip richten. Im Berichtszeitraum ist keine politische Mäßigung eingetreten. Im Gegenteil gelten die unter den genannten Begriffen zusammengefassten verfassungsfeindlichen Positionen, die sich in ziel- und zweckgerichteter Weise gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten, als die beherrschende und weitgehend unumstrittene politische Ideologie innerhalb des Landesverbandes.“
Landes-Parteichef Björn Höcke, der nach einer Feststellung des Verwaltungsgerichts Meiningen aus dem Jahr 2019 als „Faschist“ bezeichnet werden darf, ist als Rechtsextremist einer der einflussreichsten Politiker der AfD.
Vor mir liegt ein Buch, das Mitte der neunziger Jahre erschien. Der Umschlag zeigt eine Graffitti-besprühte Mauer in gehobener, bürgerlicher Wohngegend. Im Schriftzug „Nazis raus!“ hat ein anderer Sprayer das „raus“ durch ein „rein“ ersetzt und ein dritter sprühte in roten Großbuchstaben die entscheidende Frage: „WOHIN DENN?“.
Das Aufatmen war am Sonntagabend weit über den brandenburgischen Landkreis Dahme-Spreewald zu hören. Die Wahl eines AfD-Landrats hatte ein Bündnis demokratischer Kräfte gerade noch verhindert. Nicht allein, dass dieser Landesverband der Höcke-Weidel-Partei seit 2020 als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird – Kandidat Kotré hätte alle Hoffnungen der Ultrarechten wohl noch übertroffen. Seine Verbindungen ins Holocaustleugner-Lager, seine Sympathien für Horst Mahler, sein Auftritt in einer russischen Propaganda-TV-Show, das alles war selbst einigen seiner Kumpane und Bundestagskollegen der Zeit noch etwas voraus.
Meine berufliche Vergangenheit, mit satirischen Plakaten und Postkarten für die Bewahrung demokratischer Grundrechte und gegen Umweltzerstörung zu kämpfen, hat mir nicht nur Freunde sondern auch einige Prozesse eingebracht. Gelegentlich drohten auch Verbote. Doch kein Verbot eines Plakatmotivs hätte mich je davon abgebracht, ein Thema fallen zu lassen oder es verharmlosend freundlicher unter die Leute zu bringen. Ich will damit sagen: Verbote bringen nichts.
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