Kolumne vom 26.1.2017
Hat die AfD schon einen eigenen Sender? Nein, aber einer tut schon so als ob.
Zur Kolumne von Klaus Staeck (Berliner Zeitung)
Der Text erschien am gleichen Tag auch in der Frankfurter Rundschau:
Propagandagrüße aus Moskau
In absehbarer Zeit wird es keinen UKW-Hörfunk mehr geben. Millionen unnützer Radiogeräte sind dann die nächste Generation Elektroschrott. Dem Trend zur Digitalisierung des Rundfunks folgend muss ein DAB+ Gerät gekauft werden, wenn man in einigen Jahren noch Radio hören will. Schon die erste Senderwahl bietet eine Überraschung: „Megaradio SNA“. Kaum eingeschaltet erklärt mir gerade Leif-Erik Holm, dass er großen Spaß daran hätte, bei der Bundestagswahl die Kanzlerin in ihrem eigenen Wahlkreis zu schlagen. Der Oppositionsführer der AfD in Mecklenburg-Vorpommern genießt die umfangreiche Selbstdarstellung auf dieser Welle, wo am letzten Wochenende auch das rechte europäische Gipfeltreffen in Koblenz regelrecht gefeiert wurde, als Marine LePen und Wilders etwas voreilig die neue deutsche Kanzlerkandidatin ausriefen.
Besitzen die AfD und Frauke Petry schon einen eigenen Sender? Noch nicht ganz, aber sie sind auf dem besten Weg, über die vom russischen Staat finanzierte Sputnik News Agency (SNA) einen direkten Propagandakanal in unsere Rundfunklandschaft einzupflanzen. Über die deutschen Internetseiten sputniknews.com ist alles nachzuhören, was in den letzten Wochen an freundlichen PR-Aktionen für Petry gesendet wurde, wie der Hamburger Parteivorsitzende Baumann die „deutsche Medienschelte gegen Donald Trump“ mit Kritik an der AfD vergleicht, und wie sich Partei-Neuzugang Nicolaus Fest (früher BILD am Sonntag) darüber ausläßt, dass er Steinmeier im Gegensatz zum Entertainer Thomas Gottschalk als Bundespräsident für total ungeeignet hält. Ein Beitrag widmete sich Udo Voigt der einen Prozess gegen das Europa-Parlament und seinen Präsidenten geführt hat, weil russischen Gästen der Zugang zu seinem Brüsseler Abgeordnetenbüro verwehrt wurde. Kein Wort beim Sputnik-Radio darüber, dass die Klage des einzigen NPD-Abgeordneten im Parlament, einem rechtskräftig verurteilten Volksverhetzer und Waffen-SS-Verherrlicher, vom europäischen Gerichtshof längst abgewiesen wurde. Noch gespenstischer und unappetitlicher ist die Lektüre von Leserkommentaren auf den Sputnik-Seiten. Da wird Obama mit den übelsten rassistischen Sprüchen aus dem Amt begleitet, einer dauer-verunglimpften Kanzlerin Merkel der Tod gewünscht und der deutsche Journalismus pauschal als staatliche Lügenfabrik verteufelt. Sputnik-Radio und „RT deutsch“, das Fernsehpendant – aus Moskau gesteuert, aus Berlin gesendet – sind die hochgelobten Alternativen für die Konsumenten vom rechten und häufig auch vom linken Rand.
Im Internet haben wir uns ja mittlerweile an jegliche Form politischer Pornografie gewöhnt. Aber was für ein Spuk findet da im Radio auf Frequenzen und Kanälen statt, für die man sich immer noch um eine Lizenz bewerben muss? Der Augsburger Privatsender Megaradio überließ vor zwei Jahren der Propagandaagentur „Russland heute“ einen großen Teil seiner Sendezeit für SNA. Ganz legal, mit Erlaubnis der zuständigen Aufsichtsbehörde, der hessischen Landesmedienanstalt. Nur in Bayern gab es Widerstand. Dort wird Musik gespielt, während im Raum Frankfurt und in Berlin-Brandenburg über DAB+ das baldige Ende der EU verkündet wird, die AfD uns die Welt erklärt und die grassierende deutsche Medienverdrossenheit als Marktlücke genutzt wird.
Für die nächste Zuweisung von Übertragungskapazitäten im digitalen Radio ist am 24. Februar Anmeldeschluss. Vorher sollte man klären, ob irgendeine Staatspropaganda zur deutschen Medienvielfalt beiträgt. Die Sendelizenz gilt zehn Jahre.