Kolumne vom 15.6.2017
Das war ein schöner „Tag der Bundeswehr“ für Augustdorf in NRW. Verteidigungsministerin Von der Leyen ersparte dem Standort Ausgaben für neue Hinweisschilder, neues Briefpapier, und alles was mit einer Umbenennung hätte verändert werden müssen. Dies sei in bestem Einvernehmen mit der Kommune, mit Vereinen und Entscheidungsträgern vor Ort geschehen.Ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt im Wahlkampf.
Die Ministerin hat somit in der laufenden Diskussion um den Traditionserlass ein deutliches Zeichen gesetzt: es bleibt bei der „Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne“, und der sogenannte Wüstenfuchs behält den Status des Widerstandskämpfers. Ich hatte in meiner Kolumne vom 18. Mai schon bezweifelt, wie ernst man an betroffenen Standorten und im Ministerium die Selbstverpflichtung nehmen würde, die Traditionsbezüge zur Wehrmacht endgültig zu kappen. Der Fall Rommel bestätigt meine Vermutungen, dass alles nicht so ernst gemeint war. Die Berater Von der Leyens wären selbst gut beraten gewesen, wenn sie sich eine vor genau zehn Jahren gesendete ZDF-Dokumentation („Rommels Krieg“) angesehen hätten. Dort hätten sie einiges erfahren können, welchen Anteil das von Rommel befehligte Afrikakorps an der Eroberung Palästinas haben sollte. Hitler hatte im November 1941 seinem Verbündeten, dem Großmufti von Jerusalem, die „Vernichtung des im arabischen Raum lebenden Judentums“ versprochen. Zu diesem Zweck wurde Rommels Panzerarmee ein SS-Einsatzkommando beigeordnet – geführt vom erfahren-berüchtigten Obersturmbannführer Walter Rauff, der schon auf dem Kriegszug im Osten Gaswagen zur mobilen Tötung eingesetzt hatte. Dass die Briten bei El Alamein Rommels Truppen schlugen und den Weg nach Palästina abschnitten, hinderte Rauff nicht, später in Tunesien einige Tausend Juden in Arbeitslagern zu vernichten oder mit Unterstützung der Wehmacht zu exekutieren. Rommel war inzwischen wieder nach Frankreich beordert, wo seine Karriere als Blitzkriegsheld begonnen hatte. Das dies im Westen wie im Osten wie auch in Nordafrika ein Angriffs- und Vernichtungskrieg war, begleitet von einer faschistischen Rassenideologie, scheint für die Heldenverehrung in der Bundesrepublik vernachlässigenswert zu sein. Ich weiß nicht, was mein Freund und Akademiekollege Georg Stefan Troller zur anhaltenden Rommel-Ehrung sagen würde. In seiner Autobiographie „Selbstbeschreibung“ las ich von seiner Flucht aus Wien über Prag nach Paris, wo ihn Rommels Blitzkrieg einholte. Deutsche Gestapo, französische Kollaborateure, Lageraufenthalte, drohende Deportationen und endlich geglückte weitere Flucht über den Hafen von Marseille – Endstation New York. Von dort kehrt er 1944 in amerikanischer Uniform zurück, ein deutsch sprechender jüdischer GI, der als Übersetzer Kriegsgefangene befragt. „Es gibt keine Nazis, Es gibt keine KZ… keine SA, SS, keine Gestapo, auch keine Partei…Alles Mumpitz. ‚Ich bitte sie, das hat doch kein Mensch ernst genommen!’“, heißt es in Trollers Resümee der Gespräche mit den kriegsgefangenen Landsern und Offizieren. In diesem Deutschland konnte er nicht mehr leben, er setzte seine Emigration fort und hat uns seit den fünfziger Jahren Paris und Frankreich näher gebracht. Jenes Land, das Rommel mit seinen Panzerbrigaden für das Nazireich erobern sollte.
„Man kann Gott danken, dass es so gut abgegangen ist!“ Das schrieb Rommel nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler. Kein brauchbares Zitat für einen Widerstandskämpfer, Frau Ministerin.
Die Kolumne erschien zeitgleich in der Frankfurter Rundschau und in der Berliner Zeitung.