Keine Ewigkeitsgarantie

Kolumne vom 4.3.2018
Als am Sonntag das Ergebnis der Schweizer Volksabstimmung bekannt wurde, wonach der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht abgeschafft werden soll, dürfte auch bei ARD, ZDF und Deutschlandfunk ein kollektives Aufatmen zu hören gewesen sein.Denn es war über Wochen zu spüren, dass die No Billag-Kampagne der zahlungsunwilligen Nachbarn auch hierzulande für Unruhe gesorgt hatte. Zweifellos hätte die Diskussion um den Bestand der Sender und um deren Legitimationskrise auch bei uns an Schärfe zugenommen, wenn die Schweizer den Populisten und Blochers Volkspartei gefolgt wären. Die Konzessionen für das Betreiben von Rundfunk und Fernsehen durch die SRG wären umgehend versteigert worden, weil die Rechtsgrundlage für den Gebühreneinzug entfallen wäre. Ich bin wahrlich kein Anhänger der direkten Demokratie, aber es beeindruckt mich doch, wenn dreiviertel der Bürger mit der Stimme ihrer Vernunft ein so deutliches Zeichen setzen, dass sie die mediale Vollversorgung durch Privatunternehmen eindeutig ablehnen. Selbst der einstige Sat-1-Chef Roger Schawinski, der die ersten privaten Sender in der Schweiz gegründet hatte, setzte sich dafür ein, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als zivilisatorische Errungenschaft vor der Zerschlagung zu bewahren. Denn wofür seien Zuschauer im Zeitalter der Gratismentalität noch zahlungsbereit? „Für Sport, Filme und Pornos – und das war’s“, so sein Resümee. Mit seriösen Informationen über Politik und Weltgeschehen ist jedenfalls kein Geschäftsmodell zu betreiben.

Das Schweizer Bürgerurteil kann zwar die SRG nicht vor weiteren Nachstellungen und der Forderung nach Gebührenreduzierung schützen, doch das Signal ist wichtig für ganz Europa. Gerade erst hat der österreichische Vizekanzler Stracher den ORF als einen Ort bezeichnet, „an dem Lügen zu Nachrichten werden.“ Die nachgeschobene Ausrede, es habe sich nur um einen überspitzten satirischen Beitrag in der Faschingszeit gehandelt, entblößt die Taktik – pöbeln und provozieren um anschließend zurückzurudern. Auch die AfD nutzt regelmäßig solche Manöver. Die rassistische Aschermittwochsrede des AfD-Chefs aus Sachsen-Anhalt sollte ebenfalls unter einem Satiretüchlein verschwinden, das aber zu kurz war, um den braunen Dreck zu verdecken.

Überhaupt werden wir uns noch auf einige Angriffe dieser Partei auf das deutsche Rundfunksystem gefasst machen müssen. Es gehört dezidiert zu den Hauptthemen ihres Parteiprogramms, die Rundfunkanstalten bis zur Unkenntlichkeit zurechtzustutzen und den Rundfunkbeitrag abzuschaffen. Wenn demnächst die ersten AfD’ler in die Rundfunkräte Einzug halten, wird wohl auch dem letzten Proporzkämpfer ein Licht aufgehen: auch wenn in jeder Talkshow mindestens ein Parteifreund des Mannes mit der Hundekrawatte sitzt, geht es diesen Leuten doch um nichts anderes als sich am Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zu vergreifen um ihn letztlich als kritischen Begleiter des politischen Alltags zu beseitigen.

Deshalb müssen die Anstalten in die Offensive gehen, deutlichere Zeichen ihres Reformwillens und der Schärfung ihres Programmauftrages erkennen lassen. Die Vehemenz der Angriffe durch die Vertreter der privaten Medien – wie jüngst Kofler bei Maischberger – und der Wutblogger, die sich jeden Tag in den Online-Kommentaren austoben, werden zunehmen. Vom ZDF-Lerchenberg bis zum RBB-Babelsberg sollte sich niemand mehr sicher sein, dass es für die Öffentlich-Rechtlichen eine unangefochtene Bestandsgarantie gibt.

Die Kolumne erschien am 8.3.2018 in der Frankfurter Rundschau.

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