Das Klima lässt sich nur retten, wenn Billigflüge und der Kult um große Autos gesellschaftlich inakzeptabel werden. Die Kolumne vom 18.10.2018
Vor einigen Tagen lief im Fernsehen zu nächtlicher Unzeit, so als müsse man die Sendung vor unbefugten Zuschauern verstecken, ein Gespräch zwischen dem Philosophen Richard David Precht und dem Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber. Es ging, wie zu erwarten, um nichts weniger als um das drohende Ende unserer Zivilisation. Der Gründungsdirektor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, formal in den Ruhestand getreten, wird nicht müde, uns weiter in Unruhe zu versetzen. Er brachte den Begriff der „Heißzeit“ ins Spiel, da hatten wir vom Jahrhundertsommer noch keine Ahnung. Sein vor drei Jahren erschienenes Buch „Die Selbstverbrennung“ beschreibt die möglichen Szenarien der von Menschen verursachten globalen Erwärmung, die zu unumkehrbaren Klimaereignissen führen können. Die anhaltende, großflächige Zerstörung des Regenwaldes, der einen beträchtlichen Teil des Kohlendioxids in der Biosphäre neutralisieren könnte, hält er für einen der schwerwiegendsten Eingriffe in die Natur. Und wenn wir weiter Kohle, Gas und Öl verbrennen, als gingen uns die Existenzbedingungen nachfolgenden Generationen nichts an, dann könnte das globale System schon in wenigen Jahrzehnten einen Zeitsprung um 15 Millionen Jahre rückwärts machen, ins Miozän, als die Erde 5-6 Grad wärmer war als heute und der Meeresspiegel 60 Meter höher. Sollten wir uns wenigstens auf die Minimalziele des Pariser Klimaabkommens einigen können, würde der Meeresspiegel um 10 Meter steigen und die Welt wäre „in einer relativ sicheren Parkposition“.
Dabei ist Schellnhuber kein Apokalyptiker, eher jemand, der sich nicht ausreden lässt, dass menschliches Handeln letztlich von Vernunft bestimmt ist. Er argumentiert gegen die Ideologie vom Rausch des Konsums und der Verschwendung, gegen einen Lebensstil, der die Schöpfung zerstören wird, weil es nun mal auf einem begrenzten Planeten kein unbegrenztes Wachstum geben kann.
Doch wo sind die Auswege? Wenn bei Politikern, wie Precht konstatiert, aus Sorge um den Ausgang der nächsten unkalkulierbaren Wahl schon einmal die offensichtlichen Fakten ignoriert werden, um den Wählern keine Zumutungen offenbaren zu müssen – wo bleibt dann die Hoffnung? Schellnhuber vertraut darauf, dass sich die größeren Veränderungen nicht auf der politischen Bühne, sondern unter der Oberfläche vollziehen werden. Das notgedrungene Arrangement von Wählern und Gewählten verhindert, dass beide Seiten sich zur Zukunftsverantwortung bekennen. Beide zögen sich die Decke über die Ohren und versuchten, die Wirklichkeit auszusperren.
Im Gegensatz zu ihm bin ich der Meinung, dass wir es nicht bei einer Zumutungskultur belassen können. Billigflüge und der Kult um immer größere Renommier-PKW’s müssen gesellschaftlich inakzeptabel werden, zumindest auf einer Skala der zu ächtenden Umweltsünden gelistet werden.
Reicht es, wenn per Gesetz sofort eine CO2-Steuer von mindestens 30 Euro pro Tonne Emission festgelegt würde, die Jahr für Jahr um 3% steigt? Ob dies allein das „wunderbare marktwirtschaftliche Instrument“ wäre, weil es die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands erhöht und zu Innovationen herausfordert, da habe ich meine Zweifel. Aber ich bin seiner Meinung, dass es jetzt, quasi im letzten Moment vor einer Klimakatastrophe mit unabwendbaren Folgen, darauf ankommt, die Menschen einzuladen, bei der Rettung der Welt dabei zu sein. Seit meinen ersten Umweltplakaten vor fast 50 Jahren setze ich auf diese Hoffnung.
Die Kolumne erschien am 18.10.2018 in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau.