Volkstänze, Liedgut oder die deutsche Sprache: Man darf diese Themen nicht den Falschen überlassen. Kolumne vom 4.4.2019
Im Februar hatte ich in einer Kolumne über den „nationalen Kulturkampf“ rechter Populisten geschrieben, über deren Absicht, in Spielpläne und in die Vergabe von Fördermitteln einzugreifen. Sie beschwören eine „fortschreitende Überfremdung“, der eine deutschnationale Ausrichtung in der Kulturpolitik entgegenwirken müsse. Darauf habe ich einen bemerkenswerten Brief erhalten. Die Leserin ermuntert mich, an dem Thema dranzubleiben, weil sie sich zu den Betroffenen zählt.
Ingrid K. aus Berlin setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, dass dem deutschen Volkstanz Gerechtigkeit widerfährt. Denn die hiesige Volkstanzbewegung mit ihren regionalen Besonderheiten erhielt zwar die Anerkennung des Deutschen Unesco-Büros, zum „immateriellen Kulturerbe“ zu gehören, was sie aber nicht vom Generalverdacht befreite, völkische Ideen und reaktionäres Kulturgut zu verbreiten.
Nur weil „Identitäre und andere rechtslastige Gruppen“ mit Volkstanz und Volksliedern ihre Auffassung von deutscher Leitkultur publikums- und medienwirksam in die Öffentlichkeit brächten, würden die Intentionen und die Weltoffenheit der „demokratischen Volkstänzer“ als finsteres Brauchtum mit völkischem Hintergrund diskreditiert. Wir dürfen die Deutungshoheit über deutsche Volkskultur nicht an die rechte Szene abgeben und sollten aufmerksam jeden Versuch der Kulturkontrolle durch die Rechten zurückweisen, schreibt die Leserin. Wie recht sie hat!
Wer Gender-Sternchen ablehnt, wird schnell im Dunstkreis der AfD angesiedelt
Gerade erst soll sich auch meine Akademiekollegin, die Schriftstellerin Katja Lange-Müller, in den Dunstkreis von AfD und Pegida begeben haben. So muss man einen Artikel im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ interpretieren, dessen Autor die Unterzeichner und Unterzeichnerinnen eines Appells des Vereins Deutscher Sprache, „Schluss mit dem Gender-Unfug“, allesamt ins rechte Lager stellt.
Katja Lange-Müller gehört glücklicherweise nicht zu jenen, die zu vornehm oder zu ängstlich sind, sich zu wehren. Ihr sei die Sache, also unsere Sprache, wichtiger als die (Tat-)Sache, als Unterzeichner befürchten zu müssen, „von medialen Spaltpilzzüchtern abgeschoben zu werden in die eine finstere Ecke, wo wir uns dann gefälligst zu schämen hätten“.
Sie fordert dazu auf, wir sollten unsere Sprache erst mal richtig verstehen, ehe wir es gestatten oder erdulden, dass aktivistische Streiterinnen und Streiter für die absolute und damit illusorische Gender-Gerechtigkeit sie reformieren oder eher deformieren.
Der offensichtliche Irrtum, dass zwischen natürlichem und grammatischem Geschlecht ein fester Zusammenhang bestehe, bringt nicht nur Sternchen zustande sondern eine geradezu fundamentalistische Kampfstimmung, hinter der die gute und völlig legitime Absicht der Gleichberechtigung verschwindet. Wir alle sollten die Gleichberechtigung erst einmal leben und verteidigen, bevor wir die Rechtschreibung verändern.
Deshalb mein Dank an den Rat für Deutsche Rechtschreibung, der sich wenigstens für die nächsten fünf Jahre gegen die generelle Einführung des „Gender-Sternchens“ ausgesprochen hat. Und es ist mir ganz gleich, ob ihm auch die AfD und andere aus dem rechtspopulistischen Spektrum dafür danken.
Nicht ganz uneigennützig denke ich an meine Plakatproduktion und eventuelle Nachauflagen. Oder würde Ihnen die gender-korrekte Aufschrift „Deutsche Arbeiter*innen! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“ besser gefallen?
Die Kolumne erschien am 4.4.2019 in der Frankfurter Rundschau und in der Berliner Zeitung.