Kolumne vom 08.07.2020
Selbst wenn man es wollte, derzeit gelingt es kaum jemandem, den täglichen Krankenstandsmeldungen zu dem globalen Wüten des Corona-Virus in fast allen Medien zu entgehen. Schon aus beruflicher Neugier beobachte ich dagegen intensiv die breite öffentliche Debatte über eine satirisch deklarierte Kolumne einer Journalistin in der taz zum Umgang mit der in die Kritik geratenen deutschen Polizei, unserer Polizei. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Als über die Jahrzehnte vielfach staatlich geprüfter und als „juristisch zertifiziert“ anerkannter Satiriker interessieren mich die Auseinandersetzungen in dem inkriminierten taz-Artikel natürlich in besonderem Maße. So werde ich in diesen Tagen oft an eine frühe berufliche Weichenstellung erinnert, die mir damals nicht leicht fiel. Nach dem Jura-Studium an den Universitäten Heidelberg, Hamburg und Berlin hatte ich 1969 gerade mein zweites juristisches Staatsexamen überstanden, als ich mich zwischen zwei beruflichen Angeboten entscheiden sollte. Eine süddeutsche Großstadt suchte gerade einen neuen Polizeipräsidenten. Die Sozialdemokratische Partei, der ich 1960 als Student beigetreten war, hatte das Vorschlagsrecht und fragte bei mir an. Zur gleichen Zeit war in Frankfurt am Main die Stelle des Kulturdezernenten neu zu besetzen.
Hin und her gerissen zwischen lebenslanger Versorgung und ungewisser Zukunft als sogenannter freier Künstler, entschied ich mich schließlich für die „Freie Wildbahn“ als drittem Weg, nicht ohne mich gleichzeitig als Rechtsanwalt niederzulassen. Eine Entscheidung, die sich mit Blick auf mein satirisch-künstlerisches Wirken als äußerst nützlich erwies.
So wurde ich im Lauf der Jahre in 41 juristische Verfahren verwickelt – banale und existenzbedrohende mit gigantischen Streitwerten. Dank der durch Artikel 5 unserer Verfassung geschützten Meinungsfreiheit wurden alle für mich entschieden. Abgesehen von der juristischen Auseinandersetzung beschäftigt mich der Streit um die taz in besonderer Weise. Ich war ihr schon früh verbunden. Zusammen mit Bascha Mika warb ich für diese Zeitung auf Podien und mit Klaus Schlesinger gestaltete ich satirisch eine der ersten Ausgaben. Nach langjährigem Abonnement gehöre ich inzwischen zu den sporadischen taz-Lesern.
Zum aktuellen Streit: Die Polizei macht in unserer Demokratie – von Ausnahmen abgesehen – einen weitgehend ordentlichen Job, den ich mit Blick auf eine sich immer öfter gewalttägig gebärdende Bevölkerung nicht mit ihr teilen möchte. Die jüngsten Ereignisse in Stuttgart haben für mich ein erschreckendes Ausmaß an Verwahrlosung im öffentlichen Miteinander offengelegt. Weil Vertrauen in die Polizei nötig ist, befürwortet der Bund der Kriminalbeamten eine wissenschaftliche Studie zu ihrer inneren Verfassung. Das sollte auch ein Innenminister verstehen.
Satire ohne Verantwortung ist keine. Anzeigen schaffen selten Klarheit und behindern eher die notwendigen Auseinandersetzungen, um ein friedliches Zusammenleben zu garantieren. Demokratie ist und bleibt eine anstrengende Staatsform und ihre permanente Gefährdung eine Binsenweisheit. Jedenfalls ist sie kein Trampolin, auf dem jeder nach Belieben herumspringen kann. Es ist absehbar, dass sie nach dem hoffentlich baldigen Ende der akuten Corona-Phase ganz neuen Gefährdungen ausgesetzt sein wird.
Dass jetzt die taz wegen ihrer inzwischen bedrohten Autorin bei der geschmähten Polizei um. Schutz nachgesucht hat, bedarf keines weiteren Kommentars.
Die Kolumne erscheint am 9. Juli 2020 in der Frankfurter Rundschau und in der Berliner Zeitung.