Gestern (20. Januar 2021) hat Amazon-Milliardär Jeff Bezos einen seiner treuesten Feinde verloren. Der Amtswechsel im Weißen Haus, hoffentlich ein Gewinn für die Demokratie in den USA, wird mit Sicherheit einem der Bezos-Unternehmen schaden: der Washington Post.
Vor sieben Jahren kaufte er das traditionsreiche Blatt, das mit seinen Recherchen im Watergate-Skandal Nixons Rücktritt ausgelöst hatte, für 250 Millionen Dollar. In Bezos-Dimensionen aus der Portokasse bezahlt, erhielt die Redaktion, deren gedruckte Auflage – wie überall in der Branche – stetig sank, einen Digitalisierungsschub.
Doch die „Post“ ging erst richtig ab, als Donald Trump auf die politische Bühne trat, er sie zu einem der „Feinde des Volkes“ ernannte, die nichts als Fake News in die Welt setzen, um ihm und seiner MAGA-Vision zu schaden. Drei Millionen zahlende Digitalleser am Ende der Trump-Präsidentschaft gaben Bezos Recht, er hatte wieder mal auf das richtige Pferd gesetzt.
Dabei konnte er zum Zeitpunkt des Kaufs noch gar nicht ahnen, dass ein fürs journalistische Geschäft „guter Dämon“ vier Jahre lang „verlässlich für Unerhörtes“ sorgen würde, wie die „Süddeutsche Zeitung“ dieser Tage schrieb.
Der letzte Akt war das gemeinsam mit der „New York Times“ veröffentlichte Telefongespräch, mit dem der Aufruf zur nachträglichen Wahlfälschung im US-Bundesstaat Georgia ein Dokument der US-Zeitgeschichte wurde. Nur Trumps Aufruf an den wütenden Mob, zum Capitol zu ziehen, wog noch schwerer für die Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens als das skandalöse Telefonat.
Doch wenn nun ruhigere Zeiten mit Biden und Harris anbrechen sollten, die bekannterweise schlecht fürs Nachrichtengeschäft sind und die Abonnentenzahlen sinken werden – Bezos hat auf seine Weise vorgesorgt.
Die Softwarelizenz zur Digitalisierung der „Post“ ist längst an Hunderte andere Medienhäuser verkauft worden, deren Leserinnen und Leser gratis das Washingtoner Blatt als Zugabe erhalten und mit nichts Geringerem als mit ihren Daten dafür bezahlen. Amazon-Prime-Kunden bekamen ohnehin schon die elektronische Ausgabe der Zeitung zu einem Dumpingpreis.
Das alles passt in das aggressive System des Umgangs mit Konkurrenten wie Käufern. Es begann mit einem Onlineshop „für alle Bücher der Welt“ und es reicht bis zur Datenerfassung und -analyse von Kunden jeglicher Waren aus und in aller Welt.
So wurden über Jahre auch Verluste in Kauf genommen, um die Konkurrenz zu schlagen und die Infrastruktur ständig zu vergrößern. Der Spruch eines ehemaligen Mitarbeiters zur Charakterisierung von Jeff Bezos, „alles, was wir an ihm bewundern, sollten wir auch fürchten“, wurde in zwei Jahrzehnten vollkommen eingelöst. Unzählige Händler, die ein wenig von der Kooperation mit dem Imperium profitieren wollten, machten die Erfahrung, „wer bei Amazon verkauft, spielt nach ihren Regeln“.
Das erste Erstaunen über die Rabiatheit, mit der kleine Verleger liquidiert wurden, ging über in eine Lethargie Betroffener, die selbst nach der Zerstörung ihrer Geschäftsmodelle die Kartellbehörden nicht mit Anzeigen unterstützten, weil sie die Rache des Amazon-Konzerns und seiner Anwälte fürchten mussten.
Am Ende war es Trump, der sich auch aus Wut über die „Washington Post“ das Ziel setzte, mit dem Kartellrecht gegen das Bezos-Imperium vorzugehen, um den Amazon-Konzern zu zerschlagen.
Ob die Demokraten beim Aufräumen der hinterlassenen Trump-Trümmer so bald ein Auge auf Amazon werfen und ein Ohr für die Forderungen der EU-Regulationsbehörden haben, darf bezweifelt werden. Gute Zeiten für Jeff Bezos?
Die Kolumne erscheint am 21. Januar 2021 in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau.