Überflüssiger Geldstreit

Gerade in Zeiten der Krise müssen der Staat und öffentlich-rechtliche Medien für Transparenz sorgen. Kolumne vom 22.09.2022

Klaus Staeck 2009 in Berlin zur Ausstellung in der Berlinischen Galerie. Foto Manfred Mayer

Jetzt, da der Wirtschaft eine Rezession droht, das Gesparte von der Inflation angefressen wird und viele nicht wissen, wie sie finanziell über den Winter kommen sollen, blicken wir alle noch etwas kritischer auf die Bilanzen, aber auch auf Profiteure der Lücken im System.
Beispiel 1: Wenn der Gasimporteur Uniper wegen ausbleibender russischer Lieferungen nur dank 15 Milliarden Euro aus dem Steueraufkommen vor einer Insolvenz bewahrt werden kann, dann muss dieses Unternehmen alles tun, um seine Solidität unter Beweis zu stellen. Wäre es unter diesen Umständen nicht angemessen gewesen, als 400 000 Euro-Sponsor eines Branchentreffens auszusteigen, statt mit den Unsummen unter anderem für ein Galadinner in Misskredit zu geraten?

Beispiel 2: Das Bundeswirtschaftsministerium hat ein Beratergremium für die Zukunft der deutschen Autoindustrie einberufen. Dass die monatlichen Kosten von 50 000 Euro für diesen Arbeitskreis auch von den Firmen der gut verdienenden Branche statt vom Steuerzahler getragen werden könnten – darauf ist wohl niemand gekommen. Angeblich – so las man in einer Wirtschaftszeitung – zeigten sich selbst Vertreter der Autoindustrie darüber verwundert.
Beispiel 3: Weil die Bundesregierung auch in Bildung, Forschung und Kultur den Rotstift ansetzt, werden die weltweit agierenden Goetheinstitute ihre Leistungen im nächsten Jahr wohl um zehn Prozent zusammenstreichen. Von den gekürzten Projekten sind vor allem Sprachkurse und die Fortbildung von Sprachlehrern in vielen Ländern betroffen.
Beispiel 2 und 3 mögen marginal erscheinen, wenn nicht einmal davon die Rede ist, welche Aufwendungen in den nächsten Monaten auf uns Steuerzahler zukommen, um nicht allein den Mittelstand vor Insolvenzen zu bewahren. Dass die Energiekrise samt Kompensation der fortan ausbleibenden russischen Gaslieferungen nicht nur die Wirtschaft, sondern das ganze demokratische System der Bundesrepublik vor erhebliche Herausforderungen stellen wird, wird mit jedem Tag deutlicher. Deshalb brauchen wir alle Möglichkeiten, die Bürgerinnen und Bürger umfassend zu informieren, Entscheidungen der Politik transparent darzustellen.
Das Debakel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit seinen Problemen der Legitimation und der mangelhaften Selbstkontrolle durch überforderte Gremien ist in solchen Zeiten ein mehr als überflüssiger Konfliktbereich! Den Gegnern eines Mediensystems, das wir Gebührenzahler ermöglichen, so viel Angriffsfläche geboten zu haben, sollte die Intendanten und alle bisherigen Boni-Empfänger in den Chefetagen demütig machen.
Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen hat kürzlich den „öffentlich-rechtlichen Grundgedanken einer gemeinwohlorientierten Infrastruktur“ in Zeiten einer gefährlichen Überhitzung des Klimas unserer Kommunikation als so modern wie nie zuvor bezeichnet – und zugleich eine Reform des Organisationsgehäuses angeregt. Qualitätsmedien aller Art – auch die so wichtige Lokalpresse – sollten davon profitieren.

Die Kolumne erschien am 23.09.2022 in der Frankfurter Rundschau.

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