Mit Rheinmetall hat unser Kolumnist so seine Erfahrungen gemacht. Wie deutlich darf Kunst werden, wenn mit ihr Rüstungskonzerne kritisiert werden? Unser Autor hat einige Erfahrung mit diesem heiklen Thema. Kolumne vom 09.02.2022.
Das Heidelberger Justizzentrum zeigt in den nächsten Wochen einige Plakate, die mir in meiner Laufbahn insgesamt mehr als vierzig juristische Verfahren eingebracht haben. Dazu gibt es in der Vernissage am heutigen Donnerstag am gleichen Ort auch ein Gespräch zum Thema: „Wie Klaus Staeck die Grenzen künstlerischer Freiheit auslotete“. So weit der Werbeblock in eigener Sache.
Worüber sich heute vielleicht ganz locker disputieren lässt, war für mich damals eine Phase meines Berufslebens, die man nur existenzbedrohend nennen kann. Im Jahre 1968 hatte ich zwar meine Zulassung als Rechtsanwalt am Heidelberger Landgericht erhalten, aber es zog mich in eine ganz andere Richtung. „Als Künstler Autodidakt“, schrieb ich in meine frühen Katalogblätter. Immerhin reichte das zu einer späteren Professur in Düsseldorf, als einige meiner Plakate und Aktionen in der Bundesrepublik einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hatten.
Doch dann der Beinaheabsturz, wäre auch nur einer der Prozesse gegen mich anders ausgegangen, dessen Kläger die Firma Rheinmetall war. Ihre Anwaltskanzlei warf mir „eine erhebliche Diskriminierung ihrer Mandantin“ vor, weil ich mit der Abbildung ihrer Geschäftsführer den Eindruck erwecken wollte, sie seien gegen den Frieden, wobei ihre Tätigkeit doch gerade der Erhaltung des Friedens diene. Ich hatte das von der Bahn bekannte Motiv „Alle reden vom Wetter – wir nicht“ abgewandelt und ein Foto der Herren von der Konzernspitze, wie sie ihre Granaten präsentieren, mit dem Text „Alle reden vom Frieden – wir nicht“ kommentiert. Zwei Tage nach dem Abdruck im „Spiegel“ lief die Aktion an, mit der Rheinmetall das Zurückziehen des Plakats und immense Schadensersatzansprüche beim Landgericht Heidelberg beantragte. Einer einstweiligen Verfügung war ich nicht nachgekommen.
Ich bin heute noch den Kollegen aus der juristischen Fraktion dankbar dafür, mit welcher Konsequenz sie sich dafür eingesetzt haben, dass sie für eine „der satirischen Kunst zugestandene Überspitzung“ plädierten. Auch weitere Einsprüche und Beschwerden des Rheinmetall-Direktors wurden zurückgewiesen, weil es nicht darauf ankommt, „dass jeder Betrachter das Werk als Satire erkennt, denn jede Satire läuft Gefahr, von jenen verkannt zu werden, die keinen Sinn dafür haben“. Wer so kluge Richter hat, braucht keine Verteidiger.
Rheinmetall war jedoch entschlossen, durch alle Instanzen zu gehen: Landgericht Frankfurt, Oberlandesgericht Kassel – mit allen Verbotsbegehren waren schließlich die Manager aus der Rüstungsindustrie gescheitert. Presse, Funk und Fernsehen berichteten und kommentierten ausgiebig, bis einigen Leuten aus der Führungsspitze des Waffenhandels bewusst wurde, dass zu viel Öffentlichkeit dem eigentlich diskreten Geschäftsgebaren der Zunft nur schaden könne. Die letzte Verlautbarung des Konzerns begründete die Einstellung seiner juristischen Aktivitäten damit, dass diese „ausschließlich zu einer unnötigen Aufwertung dieser nunmehr unzweideutig politisch qualifizierten ‚Kunst‘“ führen würden. Eine Partie hatte ich gewonnen, aber es war nicht der einzige Prozess, dem ich mich stellen musste.
Wie würde Rheinmetall heute reagieren? Jetzt, wo sie in ihrem Höhenflug an der Börse bis 2025 den Umsatz auf zwölf Milliarden Euro fast verdoppeln will? Finanzmärkte reden von einem „Quantensprung“ für die deutsche Rüstungsindustrie. Aus Militär und Politik hört man sogar Rufe nach der Einführung der „Kriegswirtschaft“. Gute oder schlechte Zeiten für Satire?
Die Kolumne erschien am 9. Februar in der Frankfurter Rundschau.