Widerstand gegen eine „Überführung“

Eine Abschaffung von 3sat wäre eine Absage an den Kulturauftrag des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kolumne vom 17.10.2024

Offenbar hat niemand in den Staatskanzleien damit gerechnet, dass sich in wenigen Tagen 140.000 Unterschriften von Leuten einsammeln lassen, denen etwas am Überleben des Senders 3sat liegt. Auch in den Printmedien waren mehrheitlich Wortmeldungen der Solidarität zu lesen, weil zu offensichtlich war: wenn gespart werden soll, dann zuallererst an der Kultur. 

3sat will am 1. Dezember 2024 sein 40jähriges Bestehen feiern.

Bis zum Monatsende wollen die Länder einen neuen Medienstaatsvertrag beschließen, um Kosten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu senken, damit weitere Gebührenerhöhungen vermieden werden. Keine Frage, es ist sinnvoll, über Strukturveränderungen nachzudenken, über Steigerungen von Effizienz und Qualität der Programmangebote.

Aber wie man auf die Idee kommen konnte, ausgerechnet die „teilweise oder vollständige Überführung“ des Senders der drei deutschsprachigen Länder in den Sender ARTE vorzuschlagen ist nicht nur mir ein Rätsel. 

Es bleibt zu fragen, warum niemandem der Widerspruch auffiel, dass man sich gerade erst im Dritten Medienänderungsstaatsvertrag dazu bekannt hat, die Kultur an erster Stelle bei der Programmerfüllung zu nennen, wenn bereits der Plan für die Zusammenlegung von 3sat und ARTE als nächster Schritt in der Schublade lag.

Bis zum 11. Oktober konnten bei der federführenden Rundfunkkommission Rheinland Pfalz die Vorschläge kommentiert werden. Es sollen in der kurzen Frist mehr als zehntausend Stellungnahmen eingegangen sein. 

Ich habe in meinem Beitrag deutlich protestiert, weil mit einer bereits vollzogenen Reduzierung von Literatur- und Kultursendungen sowie von Aufträgen an Dokumentarfilmschaffende, die Ausdünnung gerade auf dem Feld von Kultur, Bildung und Wissenschaft geschieht und so Brachland geschaffen wird.

Nicht zuletzt den engagierten Journalistinnen und Journalisten von „Kulturzeit“, dem wochentäglichen Magazin, ist zu danken, dass mit kulturpolitischer Aufklärungsarbeit europaweit wachsenden antidemokratischen Tendenzen begegnet wird. So in der vergangenen Woche in einem bemerkenswerten Interview mit dem slowakischen Schriftsteller Michal Hvorecký, der den rechtsradikalen Kurs der neuen Kulturministerin bloßgestellt hat, weshalb ihm nun eine Gefängnisstrafe droht. Die slowakischen Behörden sind mit der Besetzung von Intendantenstellen und der Gleichschaltung der öffentlichen Medien schon einen Schritt weiter auf dem Weg, von dem die AfD hierzulande mit personellen Eingriffen in die Kulturpolitik der Länder und mit der Kündigung der Medienstaatsverträge noch träumt (siehe Höckes Idee vom „Grundfunk“).

Die Akademie der Künste hat in den Zeiten, als ich ihr Präsident sein durfte, mehrfach Programmverantwortliche von Hörfunk und Fernsehen zu Gesprächen eingeladen, in denen der Kulturauftrag der Öffentlich-rechtlichen Sender eingefordert wurde. Das hat uns damals nicht immer als Freunde auseinandergehen lassen, weil zu oft ein „das machen wir schon“ von der anderen Seite zu hören war. Der jetzige Akademiepräsident Manos Tsangaris läßt in seiner gerade veröffentlichten Erklärung keinen Zweifel, dass sich die Akademie in ihren Forderungen treu geblieben ist. 3sat und Arte zusammenzulegen widerspräche dem Gedanken einer europäischen Integration. Der Kulturauftrag des Rundfunks dürfe zudem nicht stetig ohne Mitsprache der Programmverantwortlichen unterminiert werden. 

Die Öffentlichkeit ist somit alarmiert und wird aufmerksam verfolgen, ob unter dem Druck, Reformen durchzusetzen und Kosten zu senken der Standard von Kultur und Bildung geopfert statt gestärkt wird.

Die Kolumne erschien am 17.10.2024 in der Frankfurter Rundschau.

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