Zum 80. Geburtstag des politischen Künstlers Klaus Staeck. Von Ingeborg Ruthe, Berliner Zeitung / Frankfurter Rundschau, 28.02.2018
Bisweilen sieht man ihn auf Podien, bei kulturellen Anlässen, auch bei Verabschiedungen von Mitstreitern mehr am Rande des Geschehens. Zu übersehen ist der Hochgewachsene mit den flachshellen Haaren, den wachen Augen hinter der randlosen Brille und dem alterslosen Gesicht nie. Und für ein Gespräch, sei es über Politik, Kunst oder Gott und die Welt, hat Klaus Staeck immer Zeit. Er ist ein Prominenter ohne Allüren. Der „Kunst für alle“-Rufer, der unermüdliche Intervenierer, Heile-Welt-Störer nunmehr eher stiller Beobachter? Das wäre etwas Neues.
Heute wird der aus Pulsnitz stammende, 1958 aus der Chemiestadt Bitterfeld in den Westen geflohene, mit seiner Heidelberger Edition berühmt gewordene Grafiker, Beuys-Gefährte, Plakatmacher, studierte Jurist, SPDler seit 1960 tatsächlich achtzig. Neun Jahre lang war er Präsident der Akademie der Künste, Berlin, der er eine verstärkte gesellschaftliche Einmischung zu verordnen verstand.
Das Essener Folkwang Museum hat schon vorab (bis 8. April) eine Geburtstagsschau ausgerichtet, mit einem Aufgebot an Plakaten und Grafikeditionen, mit denen Staeck das visuelle Gedächtnis der Bundesrepublik über fünf Jahrzehnte geprägt hat. Es ist die Retrospektive der Kunst eines Mannes mit unbestechlichem Blick und ohne jede Neigung, irgendetwas schönzureden. Das liest man übrigens auch in seiner gesellschaftskritischen Kolumne auf der Meinungsseite der FR.
Nach wie vor betreibt er seine aufklärerische Kunst und Weltkommentierung im Spannungsfeld von Kultur, Politik und Wirtschaft. Und insgesamt 41-mal in Staecks Künstlerleben wurde erfolglos versucht, seine Plakate und Postkarten juristisch verbieten, aus Ausstellungen verbannen zu lassen. „Viel Feind, viel Ehr’“, das galt für einen, der den sich immer mehr blähenden Warenwert der Kultur mit Skepsis sieht.
Offensichtliche Klaus-Staeck-Zensur wurde in der „alten“ Bundesrepublik vom konservativ-rechten Lager gefordert. In Zeiten also, in denen er sich mit der CDU oder großen Konzernen anlegte, und in denen er als „Gutbürgerschreck“ noch Erregung, ja Skandale provozierte. In den Dekaden von Kaltem Krieg, Wettrüsten, Atomkrafteuphorie und Waldsterben hingen seine Plakate zum Entsetzen vieler Eltern in den Jugendzimmern der Republik.
Viele der Poster und Karikaturen wurden in linken Kreisen zu Ikonen der politischen Kunst, wie etwa einer seiner Kommentare zur Bundestagswahl 1972: Das Plakat zeigt eine gelbe Villa vor blauem Grund, dazu der Slogan „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“. Es war Klaus Staecks bissige Reaktion auf die Sorge des bürgerlichen Lagers, die SPD werde im Falle eines Wahlsieges vor einer Verstaatlichung von Privateigentum nicht zurückschrecken. Da war auch das Plakat mit Dürers Porträt seiner abgezehrten alten Mutter: Staeck fragte darunter bissig: „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“
Das sind wahrhafte Meisterwerke politisch motivierter Kunst, die im Rückblick ätzender wirken als seine neueren Plakate zur Flüchtlingskrise, TTIP oder die ungenierte Macht von Amazon und Google. Auch die Politik Angela Merkels, die Pläne für eine Neuauflage der großen Koalition oder Donald Trump kriegen grafisch ihr Fett weg. Nur dass die politische Realsatire Kunstpointen längst übertrumpft: ein Wahnsinniger im Weißen Haus, die AfD im Bundestag – als legal dahin gewählte, krasse Stilblüte der Demokratie.
Klaus Staeck sagt sich und uns: Nichts ist erledigt. Er war und bleibt Aufklärer in der Tradition von George Grosz und John Heartfield, mit seinem künstlerischen Instrumentarium, das heute mit den digitalen Medien in den Wettkampf treten muss. Nun, die Zeiten, in denen seine Kunst einen Bildersturm auslöste, wie in den 70er Jahren in Bonn, als CDU-Abgeordnete Plakate von den Wänden rissen, sind vorbei in der Ära des Internets und von Social Media. Doch war es Staeck, der dem heutigen Zentrum für politische Schönheit, dessen spektakulären politischen Aktionen auf seine ganz klassische Art und Weise vorgemacht hat, dass das Sand-ins-politische-Getriebe-Streuen allemal besser ist als nur maulendes Hinnehmen der Zustände.