Kolumne September 2007
„Bahnfahren in hoher Qualität, preiswert und in der Fläche“, verspricht Verkehrsminister Tiefensee uns Bürgern für die Zeit nach der geplanten Teilprivatisierung. Wer würde sich nicht über billigere Tickets, solide Strecken und guten Service freuen.
Sicherlich jeder der 5 Millionen Menschen, die tagtäglich über das mehr als 34.000 Kilometer lange Schienennetz in Deutschland rollen. Doch das bleibt ebenso Wunschdenken wie die positiven Bilanzen, die sich das Bundeskabinett vom Verkauf des Volkseigentums verspricht. Nicht das Wohl des kleinen Kunden wird steigen, sondern das der großen Anleger. „Gute Reise“, sage ich da nur.
Ich jedenfalls bin mit der Bahn bislang gut gefahren und möchte nicht, dass sie wegen renditesüchtiger Heuschrecken auf dem Abstellgleis landet. Nur weil sich Fahrten ins deutsche Hinterland und weniger illustre Provinzbahnhöfe nicht sofort rechnen, dafür aber sofort dicht gemacht werden. Der Erhalt der ökonomisch angeblich so unrentablen, für einen Teil der Reisenden aber wichtigen Speisewagen ist bereits vor Jahren erkämpft worden. Solch kurzsichtige Kalkulationen machten mich schon damals zornig. Schließlich haben sich Generationen von Deutschen mit ihren Steuergeldern diesen mobilen Staatsschatz redlich verdient. Wenn das „volkseigene“ Verkehrsmittel im Wert von über 180 Milliarden Euro nun für einen Bruchteil an jettende Manager verschleudert wird, macht die Regierung die Rechnung wieder mal ohne den Bürger.
Das Volk wird enteignet, ohne von seinen Vertretern gefragt zu werden. Und fragt man es, ist es mehrheitlich gegen den Börsengang. Hätten die Bahnfahrer eine so starke Lobby wie die Autofahrer mit dem ADAC, würden die Privatisierungspläne der großen Koalition schnell ausgebremst. Die wieder klaglos subventionierten Bundesrennstrecken haben die supermobilen Bürger und potenziellen Protestwähler schließlich behalten dürfen. Und nun steht das klimafreundlichste Fortbewegungsmittel zum Ausverkauf. Genau wie meine Interessen als Bahnfahrer. Ich halte nämlich nicht allein aus ökologischen Gründen gerne Anschluss an die deutschen Züge. Für mich sind sie auch Orte der skurrilsten und exotischsten Begegnungen. Die Zerstörung einer der letzten intakten Kommunikationsräume steht auf dem Spiel.
Laut Verfassung hat jeder Deutsche ein Recht darauf, dass der Bund dem „Wohl der Allgemeinheit“, sprich dem „Ausbau und Erhalt des Schienennetz“ Rechnung trägt. Wenn man sich die englische Verkehrspolitik anschaut, sieht man, wo die Reise mit Privatanlegern endet: In maroden Gleisen, überfüllten Zügen und teuren Tarifen. Unfälle mit Todesfolge gibt’s gratis. Wieso also umsteigen in eine Privatbahn in Richtung Servicewüste? Nur weil uns Modernisierer Mehdorn mit seiner Globalisierungskeule vor Wettbewerbsnachteilen warnt. Ein Blick über die Alpen würde ihn eines Besseren belehren. In der Schweiz rollt die Bahn nämlich auch mit purem Staatstreibstoff im Interesse der Kunden.
Für keinen Parlamentarier ist es ehrenrührig, wenn er den vor 13 Jahren angeschobenen Bummelzug mit Endstation Börse noch rechtzeitig stoppt und angesichts neuer Erkenntnisse auf den Zug der Vernunft setzt. Damit uns auch morgen noch alle Wege offen stehen und sich meine Bahncard 100 wirklich lohnt.