Kolumne Februar 2010
Kopenhagen war gestern, Schumi ist heute, Bahrein ist morgen. Wie gut, dass vor kaum mehr als einem Monat in der dänischen Hauptstadt ein diplomatischer, nur nicht umweltverträglicher Klimakompromiss gefunden wurde. Denn bis zu einer wirklichen Lösung steht es jedem Land frei, so viel CO2 einzusparen oder auszustoßen, wie es ihm gefällt. Und da das so ist, kann es auf Kosten der Umwelt noch mal so richtig Gas geben.
Diese Freiheit will sich natürlich keine Nation nehmen lassen. Und schon gar nicht unser patriotischer Formel-1-Pilot Michael Schumacher, der in Bahrein mit Daimlers frisch lackiertem „Silberpfeil“ Deutschland würdig präsentieren möchte: „Vielleicht können wir ja noch Angela Merkel gewinnen und die Nationalfarben ändern: Von „schwarz-rot-gold zu schwarz-rot-silber“, raunte er keck. Besser aber er und seine Kollegen blieben zu Hause und Daimler produzierte umweltfreundlichere Karossen. Aber der Schumi, dieser große Junge, verriet BILD exklusiv über das ewige Rundendrehen: „…dann bekomme ich diese Fahr-Geilheit“. Da hilft wohl nur noch eine Therapie. An den Kosten würde ich mich sogar beteiligen.
Doch die Herren aus Stuttgart sind wie ihr prominenter Raser süchtig nach Publicity und Erfolg. Über den tieferen Sinn dieses unzeitgemäßen Projekts hat uns der Rennleiter von Mercedes informiert: „Wäre unser Haus nicht davon überzeugt, dass wir damit Wettbewerbsfähigkeit beweisen und letztlich mehr Autos verkaufen können, wären wir nicht dabei.“ Verkaufen werden sie weiterhin weniger die Umweltfreundlichen, sondern die mit besonders leistungsstarken Motoren. Und darin ist Daimler schon jetzt Spitzenklasse. Führte ihr Luxus-Off-Roader „Mercedes ML 63 AMG 4-MATIC“ mit 16,6 Liter Super Plus auf 100 Kilometer doch 2009 noch vor den Amerikanern die Liste der größten Dreckschleudern an.
So mancher Mercedes-Fahrer möchte lieber seinem Rennidol nacheifern und aufs Gaspedal treten, statt Sprit zu sparen und das Klima zu schonen. Kein Wunder, dass überhöhte Geschwindigkeit noch immer der häufigste Grund für einen Eintrag in Flensburg ist. Bis vor kurzem war das tödliche Rennfieber auch noch die häufigste Unfallursache. Solche Kollateralschäden an Mensch und Umwelt scheren Daimler und seine Kunden wenig. Lieber pumpt der Konzern mit breiter medialer Unterstützung 40 Millionen Euro in den Rennzirkus als in Forschung und Entwicklung schadstoffarmer Antriebe. Dass eine ganze Reihe anderer Autobauer, wie BMW, aus der Formel 1 ausgeschieden sind, sehen die Stuttgarter womöglich noch als Chance. Frei nach dem Motto der Börsenzocker: Wenn die Aktienkurse im Keller sind, steigt man am besten wieder ein.
Ganz ähnlich dachte sich das wohl auch der Gemeinderat von Heidelberg. Er wird den reanimierten Hockenheimring bis 2018 mit einer Viertelmillion Euro subventionieren. Dank der Stimme und einer Enthaltung aus dem Umfeld der Grün-Alternativen. Wenn das keine Werbung für die „Umwelt-Hauptstadt“ am lieblichen Neckar ist. Ihr knappes Geld sollte die Kommune besser in Bildung und Soziales investieren, als in das wenige Kilometer entfernte Formel-1-Spektakel, das gerade mal alle zwei Jahre neue Gäste in die Hotels und Gaststätten lockt, dafür aber stadtübergreifend die Luft verpestet. Wer wie Heidelberg in seinem Stadtmarketing oder Daimler in seinen Nachhaltigkeitsbericht Umweltbewusstsein dick auf die Fahnen schreibt, der muss auch danach handeln. Der Ausstieg aus dem Formel-1-Geschäft wäre ein glaubwürdiger erster Schritt.