Frieden ohne Freiheit?

Kolumne April 2011

Der Kampf gegen die Diktatoren dieser Welt war einmal breiter Konsens. Manch kritischer Kolumnist zeigt sich derzeit jedoch erstaunt, wieso Zeitgenossen mit „linker Vergangenheit“ den Kampf gegen Gaddafi unterstützen. Neben anderen „Alt-68ern“ würde auch ich einer „Schwarz-Weiß-Logik“ folgen, die zwar eine klare Haltung, aber keine Abwägung und Zweifel erkennen ließe. Was mich allerdings verwundert ist eine Debatte, die im Falle Libyen solange abwägt und abwartet, bis es nichts mehr abzuwägen gibt, bis Gaddafi mit dem Sieg über die Revolution vollendete Tatsachen geschaffen hat und sein „Frieden“ wieder hergestellt ist, auf Kosten von Freiheit und Leben seiner Gegner.

Wer wirklich „radikal kritisch denkt“, stellt sich natürlich die Frage, „was mehr Opfer fordert und was weniger.“ Die Antwort heißt am Ende aber wohl oder übel: Abwarten kommt den aufbegehrenden Libyern und allen Diktaturgegnern in der Region noch teurer zu stehen. Ohne die vom Weltsicherheitsrat sanktionierte Intervention hätte der Gaddafi-Clan sein Ziel längst erreicht, wären Millionen von Zivilisten wieder dem Diktat von Zuckerbrot und Peitsche unterworfen. Auf dem Spiel stehen neben Menschenleben aber auch die Menschenrechte. Weder verbale Attacken noch Schmeicheleien beeindrucken einen Despoten seines Kalibers seit mehr als 40 Jahren. Was er und die anderen Alleinherrscher in Bahrein, Syrien oder Saudi-Arabien zu fürchten haben, sind wehrhafte Demokraten. Ihnen muss geholfen werden. 

Nicht nur die Politiker und Waffenlieferanten in den USA, Europa und dem Rest der Welt haben sich seit Jahren an den Status Quo in den arabischen Diktaturen gewöhnt. Alle, die dort keine Veränderung und ihre Ruhe haben wollten, sind denn auch am meisten von den Umwälzungen überrascht worden. Zu dumm, dass Gaddafi dem Westen nicht den Gefallen getan hat, nach den ersten Bevölkerungsprotesten einfach abzutreten wie Mubarak oder Ben Ali.

Was die Aufständischen in Libyen brauchen und erwarten dürfen, ist vor allem moralische und materielle Unterstützung. Ohne den freiheitlichen Rückenwind aus Ägypten und Tunesien wäre es in Libyen und anderswo auch wohl kaum zu weiteren Erhebungen gekommen. Aber ohne die Hilfe der westlichen Demokratien werden sie über kurz oder lang wieder scheitern, weil sich verstärkt Akteure einschalten werden, die ganz andere Ziele verfolgen. 

Wer als linker Demokrat für eine Intervention plädiert, macht sich aber deshalb noch lange nicht mit den taktischen Absichten mancher Alliierten gemein. Genauso wenig wie die Gegner mit den politischen Zielen Russlands oder Chinas. Das wechselseitig benutzte Argument, hier würden einige Linke plötzlich auf Seiten ihrer einstigen Widersacher stehen, ist geschenkt. Schließlich ist es die vorrangig friedensbewegte Linke, die derzeit volles Verständnis für Merkels und Westerwelles Enthaltung in der UN hat. Auch wenn es ihr bei den letzten Wahlen nicht gedankt wurde.

Die jüngsten Angebote der Gaddafi-Söhne klingen verführerisch: Versprochene Waffenruhe, Verfassung und Wahlen. Wüsste man nicht, von wem diese Vorschläge kommen, wäre die Lösung des Konflikts möglicherweise nahe. Gleichzeitig gehen  die Kämpfe mit aller Brutalität weiter. Glaubhafte Angebote sind das nicht. Zumal der große Trickser Gaddafi keinerlei Anstalten macht, seine persönliche Machtposition aufzugeben. Ein wirklicher Friede sieht anders aus. Von Freiheit und Demokratie ganz zu schweigen.  

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