Die Rating-Falle

Kolumne Juni 2011

Die Welt sollte sich Deutschland als Vorbild nehmen. Denn niemand sonst ist in der Lage, profitorientierte Banken mit Milliarden zu stützen, ganz Griechenland vor dem Kollaps zu retten, die enormen Staatsschulden endgültig abzubauen und gleichzeitig noch die Steuern zu senken für die Klientel einer kleinen Partei am Abgrund. Außerdem können wir zusätzlich die Sozialabgaben für Geringverdiener herunterschrauben, den Ärzten ein höheres Honorar zahlen und die epochale Energie-Wende aus der Portokasse finanzieren.

Eine Regierung, die all das und noch viel mehr gleichzeitig stemmt, hat sich den Weltmeister-Titel redlich verdient. Allerdings ist es wie beim Fußball. Die Millionäre (männlich) kicken auf dem Platz, die zahlenden Besucher teilen sich die Ränge. Denn wer wirklich zahlt und jedes Risiko trägt, ist bei jedem neuen Spiel der viel strapazierte Steuerzahler. Ich meine jene Bürger, die tatsächlich noch ihren Beitrag zur Bewältigung der Aufgaben leisten, die wir ganz selbstverständlich einfordern. Nicht dazu gehört eine Promi-Kaste, die es vorzieht, nur zu verlangen, ohne selbst etwas einzubringen.

Ich gehöre übrigens zu der belächelten Gruppe, die ohne das übliche Gejammer ihren Obolus entrichtet, weil das Gemeinwesen nun einmal Geld braucht für Bildung, Kultur, innere Sicherheit und Umweltschutz beispielsweise. Doch allmählich schwillt mir der Kamm, wenn ich immer aufs Neue erfahre, wie mit meinem sauer Verdienten umgegangen wird, für welche kriminellen Machenschaften ich noch bürgen und haften soll zusammen mit der braven Herde der mit mir Gemolkenen.

Da spekulieren die üblichen Verdächtigen auf Teufel komm raus nicht mehr nur gegen andere Unternehmen, sondern gegen ganze Staaten und Währungen. Und bereichern sich dabei in unvorstellbarem Maße auf Kosten eben jener anonymen Steuerzahler, auf die politisch allemal Verlass ist.

Eine zentrale Rolle in diesem üblen Spiel zu Lasten Dritter übernehmen neben den Spekulanten die Rating-Agenturen. Die Namen der drei größten kennt inzwischen jeder Zeitungsleser: Standard & Poors, Moody’s und Fitch. Diese privaten amerikanischen Firmen, von ihren Auftraggebern bezahlt, entscheiden für sie völlig risikolos über das Schicksal ganzer Volkswirtschaften, indem sie oft kaum nachvollziehbar den Bonitätsstatus auf- und abstufen. Damit bestimmen sie, wie viel Zinsen ein Staat für Kredite bezahlen muss und ob er überhaupt noch welche bekommt.

Und wie begegnen nun unsere Politiker diesen Agenten der angeblich so freien Marktwirtschaft? Sie zittern, reagieren mit Unmut, sie erwägen. Einige sind sogar empört und erwägen sogar Gegenmaßnahmen in Form einer EU-Agentur.

Ja, sie erwägen. Wie lange sie das tun, weiß niemand. Die Tatsache, dass besagte US-Agenturen mit ihrer angemaßten Macht schon seit Jahrzehnten ihr Unwesen treiben und an der letzten weltweiten Finanzkrise einen gehörigen Anteil hatten, führte bisher jedenfalls nicht zu einer erkennbaren Einschränkung dieses lukrativen Geschäftsmodells. Der Casino-Betrieb geht doch auch ungebremst weiter. Schauen wir mal, wie lange es diesmal dauert und ob überhaupt etwas geschieht. Es ist höchste Zeit, diesen Voodoo-Agenturen endgültig das Handwerk zu legen.

Nach einer der jüngsten europaweiten Umfrage vertrauen nur noch neun Prozent der Bevölkerung den Politikern. Das muss sich ändern. In unserem Interesse. 

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