Das privatisierte Gewaltmonopol

Kolumne 26. Januar 2012

Es gibt auch gute Nachrichten aus der Finanzwelt. Die Aktien der CCA, der Correct Corporation of America, steigen und die Tendenz sieht blendend aus. CCA ist ein Dienstleistungsunternehmen mit 1,7 Milliarden Dollar Jahresumsatz (2010), 17500 Angestellten und mehr als 90.000 Kunden, die keine Wahl haben, ob sie vielleicht einer anderen Firma den Vorzug geben würden. Es sind nämlich Insassen in einem der vielen Privat-Gefängnisse, die von der CCA betreut werden.

Es heißt, diese Gesellschaft sei der Marktführer in einem Segment, das in der Krise besonders boomt, weil manchen Bundesstaaten wegen schwindender Steuereinnahmen einfach das Geld fehlt, angesichts der ständig überfüllten Strafanstalten neue zu bauen. Privat geht schneller und billiger, als wenn der Staat der Auftraggeber ist und gespart werden zudem die Gehälter für Vollzugsbeamte. Mindestens 50 Dollar pro Tag und Häftling zahlt ein Bundesstaat der CCA, damit die Rendite stimmt.

Es lief in diesem Gewerbe nicht immer so gut, Überkapazitäten, Fälle von Missbrauch und spektakuläre Ausbrüche hatten den Aktienkurs auch schon mal in den Keller geschickt. Aber inzwischen hat das Beispiel international Schule gemacht.

Im hessischen Hünfeld entstand mittels Public Private Partnership die erste deutsche teilprivatisierte Justizvollzugsanstalt. Zur Eröffnung 2005 verbrachte auch der damalige Justizminister Hessens eine Nacht probeweise im Knast – und befand ihn für gut. Eine generelle Privatisierung deutscher Gefängnisse wurde von einer eigens einberufenen Arbeitsgruppe vor einigen Jahren noch abgelehnt, da Strafvollzug zum Kernbereich staatlicher Aufgabenerfüllung gehöre. Für Bewachungsmanagement und Disziplinarmaßnahmen braucht man also noch Beamte. 

Aber es entsteht der Eindruck, als ginge die Flucht aus der staatlichen Verantwortung schleichend weiter, wenn man vor wenigen Tagen lesen konnte, dass psychisch kranke Straftäter im Maßregelvollzug von Privatbediensteten betreut werden dürfen. Betreut heißt in diesem Falle auch: deren Zwangsmaßnahmen ausgesetzt. 

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat bestätigt, die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen durch Pflegekräfte privater Diensteanbieter sei verfassungsgemäß. Ein eindeutiger Fall einer Abgabe hoheitlicher Befugnisse, so möchte man meinen. Zwar merken die Richter in ihrem Urteil an, dass für eine Privatisierung keine finanziellen Erwägungen den Ausschlag geben dürfen. Es solle vor allem um die Erhaltung des organisatorischen Verbunds der Einrichtungen des Maßregelvollzugs und den jeweiligen Trägern der psychiatrischen Einrichtungen gehen. Daraus sollten vor allem Synergieeffekte entstehen, die dem Vollzug mit besser ausgebildetem Personal zugute kämen. Das ist löblich gedacht, aber ist es auch realistisch angesichts leerer Haushaltskassen? Oder ist diese Gerichtsentscheidung nicht auch ein weiterer Schritt, den Staat aus seiner Verantwortung zu entlassen und im Sinne der Kostenminimierung der Entledigung von staatlichen Pflichtaufgaben alle Tore zu öffnen? Worüber jeder Rechnungshof jubeln würde

Strafgefangene dürfen auch weiterhin nur einer Gewalt unterworfen werden – der von staatlichen Beamten, entsprechend kontrolliert und im Falle von Übertretungen durch demokratische Gremien haftbar gemacht. Alles andere leitet eine gefährliche Entwicklung ein, wonach billig in jedem Falle besser ist und Gewinnerwartung keine Hemmschwelle kennt. Auf dem Spiel steht immerhin das staatliche Gewaltmonopol.

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