Jagdfieber

Kolumne März 2012

Von einem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sollte man erwarten, dass er keinen Unterschied macht zwischen EU-Bürgern und Nicht-Europäern. Denn das Recht des Menschen auf Unversehrtheit und Wahrung seiner Würde ist unteilbar. Dennoch hat kürzlich ein Urteil Aufsehen erregt, mit dem die Straßburger Richter der Klage einer Gruppe von 24 Afrikanern gefolgt sind.

Diese Flüchtlinge waren vor drei Jahren auf hoher See von italienischen Schiffen aufgebracht und zur Rückkehr nach Libyen gezwungen worden. Italien hatte mit dem Gaddafi-Regime ein entsprechendes Rückführungs-Abkommen geschlossen, ohne danach zu fragen, unter welchen Bedingungen und in welcher Lebensgefahr Flüchtlinge in nordafrikanischen Lagern existieren müssen. Nun steht eindeutig fest, für Italien wie für alle anderen EU-Mitglieder gilt: Menschenrechte müssen auch außerhalb der eigenen Grenzen gewährt werden. Jeder Flüchtling hat einen Anspruch darauf, einen Asylantrag zu stellen, die Länder der EU sind in der Pflicht, korrekte Aufnahmeverfahren für Asylanten zu gewährleisten. 

Doch dieser Rechtsanspruch weist gleichzeitig auf ein Dilemma hin. Weder kann man Italien und Malta die ganze Last der Aufnahme afrikanischer Flüchtlinge aufbürden, noch kann in Kauf genommen werden, die kriminellen Organisatoren des Menschenschmuggels zu ermuntern, statt ihnen das Handwerk zu legen. 

Es wäre billig, Italien zu verurteilen ohne danach zu fragen, wie sich die europäische Gemeinschaft mit ihren geografischen Randstaaten solidarisch zeigt. Das verlangt natürlich eindeutige Regeln, wie alle EU-Mitgliedsländer in die Verantwortung genommen werden, somit verbindliche Quoten, welches Land wie viele Flüchtlinge aufzunehmen hat. Wir können das Problem nicht den Bürgern von Lampedusa überlassen. Es trifft uns in Berlin oder in Stockholm oder Paris gleichermaßen, auch wenn es für Nicolas Sarkozy, gegenwärtig im Wahlkampf, ein höchst lästiges Thema sein dürfte.

Wir müssen das Bewusstsein dafür schärfen, dass es auch ein Teil unserer Lebensqualität ist, wie wir die Standards der Menschenrechte sichern und damit auch die Rechte von Flüchtlingen und Asylbewerbern respektieren.
Mit dem Schengen-Abkommen haben sich die Bürger Europas das Leben leichter gemacht, weil sie von keinen Grenzkontrollen mehr aufgehalten werden. Nun werden aber Stimmen lauter, die fordern, längst abgebaute Polizei- und Grenzposten sollten wieder eingerichtet werden, weil die Außengrenzen der EU nicht ausreichend sicher seien. FPÖ-Politiker behaupten, die griechisch-türkische Grenze stehe als Einfallstor für illegale Einwanderer nach Österreich offen und kritisieren die unzureichende Stärke der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. 

Die Forderung nach einem einheitlich organisierten europäischen Grenzschutz mag durchaus berechtigt sein – unter der Bedingung, dass diese Grenzsicherung jederzeit durch die EU-Gesetzgebung im Zaum gehalten und demokratisch kontrolliert wird. Das kann man von Frontex, der 2004 errichteten Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen, nun wirklich nicht sagen. Viel zu oft wurde von Flüchtlingsorganisationen scharf kritisiert, dass Frontex während der Einsätze auf See und an den Landesaußengrenzen nicht konsequent auf die Respektierung der Menschenrechte achtet. Frontex ist deshalb aufgefordert, bis Ende Mai gegenüber dem zuständigen EU-Ombudsmann nachzuweisen, dass sich ihre Grenzschützer an geltendes Recht halten. 

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