Alles legal 

Kolumne 28. Februar 2013

Doch, es gibt sie noch, Sternstunden im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Es gibt Sendungen, für die der Gebührenzahler gern in die Tasche greift. Zu dieser Kategorie gehört die ARD-Dokumentation über die Machenschaften des US-amerikanischen Netzgiganten AMAZON: zähe Recherche, klare Nennung von Tätern und Opfern, nicht das übliche Verwirrspiel mit dem Ziel, dass am Ende alle und niemand verantwortlich sind.

Leiharbeit von der schäbigsten Sorte, von sklavenhalterähnlichen Zuständen war zu Recht die Rede. Was da in und um die sieben Logistikzentren des weltweit größten Internetanbieters zu Tage trat, war derart skandalös, dass auch die Politik nun nicht umhin kommt, das üble Treiben dieses Konzerns öffentlich zu kommentieren. Sogar von Lizenzentzug für die Leiharbeitsfirma war vollmundig die Rede.

„Der Verdacht wiegt schwer, deswegen müssen jetzt alle Fakten auf den Tisch“, ließ sich die zuständige Bundesarbeitsministerin vernehmen. Das ist so eine hübsche, äußerste Aktivität signalisierende Redensart. Und was folgt dann? Wird, nachdem die öffentliche Erregungsspirale abgeflacht ist, alles wieder unter den Tisch gekehrt? Es ist schon beschämend genug, dass die Politik erst durch ein Fernsehteam erfährt, welch skandalöse Arbeitsbedingungen AMAZON seinen „Mitarbeitern“ zumutet. Die überraschte Ministerin hätte wissen können, was sich beim Online-Händler abspielt. Die Gewerkschaft ver.di läuft schon lange Sturm gegen dieses Geschäftsmodell. Im Übrigen ist diese Firma nicht die einzige, die am laufenden Band Menschenmaterial  mit Hoffnung auf Festanstellung ‚zur Probe‘ einstellt und sich anschließend von der Agentur für Arbeit bezahlen lässt.

Wenn man nur wollte, konnte man von den Praktiken des global agierenden Anbieters schon länger wissen. Als ich AMAZON im November 2010 schon einmal eine Kolumne widmete, verdächtigte mich ein Kollege in der Süddeutschen Zeitung des Kulturpessimismus. Schon damals war allgemein bekannt, dass der Internetriese für das Weihnachtsgeschäft mehr als 3000 Saisonarbeiter – sprich Teilzeitkräfte – nach Bad Hersfeld und Leipzig gelockt hatte. 

Wie es sich für einen ordentlichen Kraken als Global Player gehört, sahnte das datenfressende Unternehmen zwar staatliche Wirtschaftshilfen und Fördermittel ab, ist jedoch äußerst kreativ, wenn es um Steuervermeidung geht. Natürlich nutzen die Lastwagenkolonnen, um die 1,2 Millionen Pakete durch die Republik zu karren, die Infrastruktur aus. Zu deren Erhalt wird jedoch so gut wie nichts beigetragen. So profitiert der Konzern im Buchgeschäft von der hierzulande geltenden Buchpreisbindung, versteuert aber seinen deutschen Umsatz in Luxemburg zu ganzen drei Prozent. Zyniker könnten einwenden, besser drei Prozent als gar nichts. Das supersoziale Netzwerk Facebook gehört zum Beispiel zu dieser 0-Steuer-Fraktion. So langsam scheinen auch einige europäische Finanzminister aufgewacht zu sein. Beim jüngsten Moskauer Treffen der G-20-Staaten wurde beschlossen, Regeln zu entwickeln, um den Hütchenspielertricks der grenzüberschreitenden Konzerne zwecks bisher auch noch legaler Steuerhinterziehung ein Ende zu bereiten.

Mittäter und nicht nur Zuschauer in dem üblen Spiel sind vor allem die Kunden dieser Konzerne. Sie sind es, die schließlich jene Teufelsspirale in Gang setzen. Sie delegieren ihre eigene Verantwortung ins Nichts, denn sie sind direkt Beteiligte mit ihrer Gier, Bequemlichkeit und Gedankenlosigkeit. Noch gibt es keinen Kaufzwang bei bestimmten Anbietern. 

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