Kolumne 3. Juli 2013
Vier hessische Steuerfahnder können am Ende noch von Glück reden, Hessen zu sein. So wurden sie nur als Fälle von minderer psychischer Anomalie krank geschrieben und nach gezieltem Mobbing vom Dienst suspendiert, statt in einer Klinik weggeschlossen zu werden.
Sie hatten bis vor zehn Jahren beim „Bankenteam“ im Finanzamt Frankfurt V offenbar einige große Fische vor der Angel, als sie von ihren Vorgesetzten die Weisung erhielten, sich nur noch mit jenen Fällen zu beschäftigen, bei denen Steuersünder mehr als eine viertel Million Euro ins Ausland transferiert hatten.
Da sie nicht nur das Gefühl, sondern den Verdacht von Strafvereitelung hegten, bekam ein für seine Falschgutachten inzwischen rechtskräftig verurteilter Frankfurter Arzt den Auftrag, die vier auf medizinisch-psychologische Weise zum Schweigen zu bringen. Erst Jahre später, als Ministerpräsident Koch und Finanzminister Weimer nicht mehr im Amt waren, hat ein Untersuchungsausschuss im Wiesbadener Landtag versucht, Licht ins Dunkel einer für den Rechtsstaat Bundesrepublik unerhörten Geschichte zu bringen. Die Frankfurter Rundschau hat sich mit ihren hartnäckigen Recherchen bleibende Verdienste bei der Aufdeckung des Falls erworben.
Wer dachte, schlimmer könne es nicht kommen, der muss sich nur ein wenig mit der Causa Gustl Mollath im Freistaat Bayern befassen. Nicht nur die Süddeutsche Zeitung hat darüber berichtet. Auch eine ARD-Dokumentation offenbarte den schrecklichen Verdacht übler Justizwillkür und provozierender Untätigkeit bei der überfälligen Wiederaufnahme eines fairen Prozesses.
Es gehört schon viel guter Wille dazu, nicht an eine großangelegte Verschwörung von Justiz, Psychogutachtern, CSU-Filz und Steuerhinterziehern zu glauben. Eine Verschwörung gegen alle Bürger dieses Landes, die sich immer noch durch das Grundgesetz geschützt fühlen.
Zur Erinnerung: Mollath hatte seine ausgiebigen Insiderkenntnisse über die Tätigkeit seiner Gattin angezeigt. Diese beriet ihre Kunden in der HypoVereinsbank, wie sie Schwarzgeld an der deutschen Steuer vorbei in die Schweiz verlegen könnten und erledigte selbst auch noch die Kurierfahrten. Doch Ehefrau Petra war ihm zuvorgekommen, mit einer Klage wegen Körperverletzung, gestützt auf ein medizinisches Gutachten, das inzwischen wegen falscher Unterschrift als Makulatur gilt. Ein Richter, der „wegen Überlastung“ nicht einmal die Verteidigungsschrift des Angeklagten durchgelesen hatte, aber immer noch Zeit fand, die Steuerbehörde vor dem „Spinner“ zu warnen, verfügte, assistiert von einem Psychiater, die Zwangseinweisung in eine geschlossene Anstalt. Weil angeblich Gustl Mollath, und nicht der bayerische Sumpf die Gesellschaft bedroht. „Eine Justiz, die Menschen ohne gründlichste Prüfung einen Wahn andichtet, ist selber wahnsinnig“, las ich bei Heribert Prantl.
Und dann gibt es in Bayern immer noch den Fall Hoeness. „Ich fühlte mich in diesen Tagen auf die andere Seite der Gesellschaft katapultiert, ich gehöre nicht mehr dazu“, soll er gesagt haben. Will heißen, er gehörte all die Jahre dazu, in denen er die millionenschwere Kapitalertragssteuer hinterzog. Doch seit Merkel und Seehofer ihm, dem FC-Bayern-Sieger vor einem Millionenpublikum auf der Wembley-Tribüne, gratulierten, gehört er wieder dazu. Der Fußball – und erst Recht der Erfolg – kennt keine kriminellen Steuersünder, ganz gleich wie der Prozess demnächst ausgeht. Man könnte verrückt werden, auch ohne Gutachter.