Kolumne 7. November 2013
Die Bundestagswahl hat der NPD trotz deutschlandweiter Präsenz ihrer Hetzplakate keine Hoffnung auf einen Einzug in den Bundestag gebracht. Doch sollten wir uns nicht der Illusion hingeben, das müsse immer so bleiben. Gerade jetzt setzt eine Mobilisierungskampagne ihrer halben Million Nazi-Stammwähler ein, die niedrigere 3%-Hürde bei der Wahl für das Europaparlament im Mai zu überwinden. Eine schöne Partnerschaft könnte sich da formieren: Rechtsradikale aus Ost und West als krakeelende Abgeordnete unterm blauen europäischen Sternenbanner.
Während hier noch mit aller Akribie die NSU-Verbrechen im Münchner Gerichtssaal aufgearbeitet werden, droht aus Brüssel und Strasbourg ein Schwall brauner Propaganda. Wie lebendig die NPD agiert, zeigte sich jüngst im erzgebirgischen Schneeberg. Zum wiederholten Male folgten Tausende empörter Bürger ihrem Aufruf, um ein geplantes Asylbewerberheim zu verhindern. Es ging beim NPD-organisierten „Lichtellauf“ zivilisierter zu als in Hellersdorf, wo der Mob in die Fernsehkameras pöbelte und die NPD den besorgten Anwohnern „Unterstützung im legitimen Protest“ versprach. Man lernt halt dazu.
Für die schrillen Töne ist das perfideste Organ deutscher Sprache zuständig, das Internetportal „Altermedia“. Dort stand wörtlich, dass es sich bei den Flüchtlingen lediglich um „Menschenmüll“ handle und falls ein Asylheim einst abgefackelt wird, es um den Plattenbau nicht schade sei. „Altermedia“ existiert auch dank seiner Werbeeinnahmen.
Eine der Firmen, die das tiefbraune Medium am Leben hält, ist das Klamotten-Label „Ansgar Aryan“. Seine Betreiber sitzen zwischen Oberhof und Oberpfalz, haben Namen und Adressen, von wo aus sie den florierenden Internetversand organisieren. Hit des Sommers war die Wiederauflage des schwarzen T-Shirt-Klassikers „Nach Frankreich fahr’n wir nur auf Ketten“. Auf der Rückseite las der staunende Franzose in seiner Muttersprache „Verdammt, die Deutschen kommen!“. Doch damit hörte der Spaß noch nicht auf. Der Werbespruch „Ein tolles Top mit eindeutiger Aussage, rechtlich absolut unbedenklich“, galt einem Kleidungsstück mit der Aufschrift „Svastika“. Also nicht das Zeichen des Hakenkreuzes, sondern sein Begriff.
Modische Accessoirs für eine Jugendkultur, die sich nicht nur in einem lebenslang sichtbaren 18- oder 88-Tattoo in Führerverehrung erschöpft, sondern durchaus auch cool daherkommt. Das ist ganz im Sinne einer Bewegung, die sich Autonome Nationalisten nennt.
Ihre Mitglieder gerieren sich als aggressivster Teil der extremen Rechten ohne als solche auf den ersten Blick erkennbar zu sein. Im Outfit und in den Aktionsformen kopieren sie die linke Szene, in Nazi-Demonstrationen bilden sie „Schwarze Blöcke“. Kapuzenpullover und einheitliches Schwarz soll Polizei und Fotografen die Identifizierung erschweren. Sie propagieren das Do-it-yourself-Prinzip, jeder solle „aktiv und kreativ politische Arbeit betreiben“, ohne an feste Organisationen gebunden zu sein. Dies habe den Vorteil, „dass Strukturen, die es offiziell gar nicht gibt, nicht verfolgt oder gar verboten werden können“, heißt es in einer Handlungsanweisung auf den Internetseiten der „neuen und modernen nationalen Sozialisten“.
Das Bundeskriminalamt warnt inzwischen, die AN habe das Potential selbstradikalisierter Einzeltäter mit Tendenz zur Bildung terroristischer Kleingruppen. Ein Haufen, der sich in rasender Geschwindigkeit radikalisieren kann, kennt kein Gewalttabu.