Gottgegebene Wut

Kolumne 15. Januar 2014

In Frankreich streitet man über das Auftrittsverbot gegen den Komiker Dieudonné. Darf Satire denn nicht alles? Oder handelt es sich gar nicht um Satire?
In Frankreich macht seit einiger Zeit ein Mann von sich reden und beschäftigt jetzt höchste Gerichte samt Regierung, den man nach dem ersten Augenschein als Schwarzen einstufen kann. Dieudonné, zu deutsch „der Gottgegebene“, wie er sich nennt,  füllt inzwischen mühelos die größten Arenen des Landes  – wenn man ihn denn lässt.

Denn es hagelt Auftrittsverbote. Man könnte annehmen, dass der 47jährige  gegen den auch in Frankreich grassierenden Fremden- und Rassenhass in seiner Show verbal zu Felde zieht. Dem ist aber nicht so. Er hat sich im Gegenteil darauf spezialisiert, seine wachsende Fangemeinde mit antisemitischen Anspielungen der härteren Art aufzuheizen. Da ist schon mal von Gaskammern die Rede und Wortspielen wie „IsraHeil“. Jetzt hat er vorerst alle Auftritte abgesagt und arbeitet an einem neuen Programm.

Mit dem italienischen Komiker Beppe Grillo verbindet ihn auf den ersten Blick nur so viel: Beide scheinen von den Regeln der Demokratie, die nun einmal bestimmte Tabus kennt und auch braucht, nicht allzuviel zu halten. In unterschiedlichem Maße gilt das auch für ihre Anhänger. Immerhin haben diese bei Wahlen in Italien dem Parteiensystem das Fürchten gelehrt. In Frankreich steht der Front National bereit, die von Dieudonné lustvoll verbreiteten Ressentiments schon bei den Europawahlen im Mai in Stimmen umzusetzen. Dass Le Pen-Senior Pate eines der Kinder des Komikers ist, lässt an dessen rechtsradikaler Gesinnung kaum noch Zweifel aufkommen.

Natürlich fragen sich nicht nur die Hüter des Freien Wortes, ob Verbote die angemessene Reaktion auf die Provokationen des anscheinend Unbelehrbaren sind. Sind sie doch letztes Mittel der Notwehr in einer Demokratie, will man dem Vorwurf der Zensur entgehen. Und das alles im Mutterland der Revolution und Aufklärung. Reflexhaft fällt da sicher nicht nur mir Kurt Tucholskys Diktum ein: „Die Satire darf alles.“ Dabei stellt sich die Frage, ob das Treiben des Komikers überhaupt als Satire gewertet  werden kann, die den besonderen Schutz der Kunst genießt. Erinnerte doch die linke Tageszeitung „Libération“ alle Verbotsbefürworter an „das Risiko, aus dem Katastrophenkomiker einen Märtyrer der Meinungsfreiheit zu machen“. 

Für mich gibt es keine Satire und keine Kunst ohne Verantwortung. So waren auch die antijüdischen Karikaturen im „Stürmer“ nur primitive Hetze. Niemand käme auf die Idee, sie unter den Schutz der Kunstfreiheit zu stellen. Was Dieudonné vor einem Massenpublikum treibt, ist mit legitimer Grenzüberschreitung nicht zu rechtfertigen, von der die Satire ja lebt. Deshalb taugt er nicht zum Märtyrer, will man den Begriff nicht völlig umdeuten. Das sage ich als Satiriker, der selbst mehr als 40 Prozesse gegen seine Arbeiten erfolgreich überstanden hat.

Ich bleibe ein Anhänger der wehrhaften Demokratie als Antwort auf den Nachtwächterstaat. Sie ist für mich kein Trampolin, auf dem man nach Belieben herumhopsen kann, gar als Test, wann wohl die Matte reißt. Nicht die flaue, weichgespülte und feige Demokratie wird ihren Gegnern  Paroli bieten können. Auf Hetze gegen Minderheiten muss der Staat zum Schutz seiner Bürger reagieren. Dass besonders jede Form von Antisemitismus zu ahnden ist, gehört jedenfalls zu unserem Selbstverständnis.

Hierzulande toben sich Rechtsradikale eher in martialisch anmutenden Aufmärschen und bei wilden Konzerten aus, wenn sie die Hassgesänge der einschlägigen Bands mitgrölen. Beruhigend ist das nicht.

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