Kolumne August 2016
Nach meinem Zweiten Juristischen Staatsexamen 1969 stand ich vor einer schwierigen Entscheidung. In einer süddeutschen Großstadt war die Stelle eines Kulturdezernenten vakant, eine andere Kommune suchte einen Volljuristen als Polizeipräsidenten. Weder ein Freund von Hierarchien noch oft notwendiger Bürokratie habe ich mich schließlich für die freie Wildbahn als Anwalt und freischaffender Künstler entschieden – mit all den Risiken, die dieser kurvenreiche Weg birgt.
Ich weiß nicht, ob es an meinem Alter liegt. Jedenfalls stelle ich mir in Anbetracht der sich häufenden kritischen Berichte über den Umgang der Sicherheitskräfte mit den Bürgern und umgekehrt des Öfteren vor, wie mein Leben als Polizeipräsident verlaufen wäre. Fest steht, dass ich das vom Staat der Polizei übertragene Gewaltmonopol gegenüber den selbsternannten Bürgerwehren energisch verteidigen würde. Immerhin landen die Polizisten laut einer Befragung der Bevölkerung über das Ansehen der einzelnen Berufsgruppen nach den Feuerwehrleuten, Ärzten und Krankenpflegern auf einem respektablen vierten Platz mit 82% Zustimmung.
Angesichts ständig wachsender Aufgaben würde ich für eine deutliche Verstärkung der Polizei kämpfen. Denn der unverantwortlich hohe Überstunden-Berg im Dienste der Gemeinschaft ist ein Skandal. Natürlich sind sich alle, die sich für diese Laufbahn entschieden haben, des besonderen Berufsrisikos bewusst. Dennoch verdient eine bundesweite Plakatkampagne der JUNGEN GRUPPE in der Gewerkschaft der Polizei Beachtung. Mit dem Slogan „Auch Mensch – Polizei im Spannungsfeld“ wird darauf hingewiesen, dass Polizeibeamte „in unterschiedlichen Einsätzen immer wieder Opfer von schwerer Gewalt werden“. Schließlich würden die Beamten als erstes Organ gesehen, „wo der Frust abgelassen werden kann, wenn jemand mit der Politik oder dem Staat unzufrieden ist“.
Längst haben wir uns an die Berichte über die Schlachten der Krawallmacher verfeindeter Fußballvereine mit der Polizei als Prellbock gewöhnt. Selbst im Amateurfußball werden inzwischen Konflikte brutal ausgetragen. Dabei sind es nicht nur die Aktionen im Umfeld der Brot- und Spiele-Zeremonien der Fußballmillionäre, in denen die Polizei versucht, als Puffer die Ordnung zu garantieren. So werden die Krawalle in Berlin am 1.Mai längst als Routine abgehakt. Wen empört es noch, wenn dort nach Schlachten um ein besetztes Haus die örtliche Presse titelt:“123 Polizisten verletzt – linke Gewalt schockiert Berlin“. Als Erklärung hilft da wenig, wenn wissenschaftliche Untersuchungen bescheinigen, dass die allgemeine Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft bedrohlich zugenommen hat.
Immerhin dämmert inzwischen jenen Bürgern, die am Fortbestand demokratischer Verhältnisse interessiert sind, dass vor allem dem skrupellos auftretenden rechtsradikalen Mob weder in Heidenau, noch in Tröglitz und anderswo ohne eine starke Polizei begegnet werden könnte. Gnade uns, sollte eine Mehrheit von ihnen aus Frust über mangelnden Respekt, permanente Überforderung oder Missachtung den demokratischen Grundkonsens einmal aufkündigen. Dass es wie in jeder Berufsgruppe auch schwarze Schafe in Uniform gibt, ist mir bekannt. Dennoch verdient die Polizei keine pauschalen Schmähungen à la „ACAB“ (All Cops Are Bastards). Müssen Polizisten doch oft genug im alltäglichen Dienst Angriffe und Beleidigungen jeder Art verkraften.