Kolumne September 2016
Die viel gescholtene Europäische Union ist allemal für Überraschungen gut – sogar für eine überaus positive. Gemeint ist die Entscheidung der Brüsseler Behörde gegen Apple. Der amerikanische Industriekonzern soll 13 Milliarden Euro plus Zinsen an den irischen Staat zahlen, besser, zurückzahlen. Jedenfalls, soviel steht fest, geht es um nicht gezahlte Steuern aus den Jahren 2003 bis 2014.
Was den normal geplagten Steuerzahler freut, war für einen Kommentator der WELT AM SONNTAG Anlass für eine wilde Attacke gegen die zuständige dänische Kommissarin Margarethe Vestagers. Überschrift des Artikels: „Brüssels Angriff auf Apple ist blanker Populismus“. Wenn es denn so wäre, diese Form des Populismus lasse ich mir gerne gefallen. Weiter: „Steuerzahler sollten die Wut von Apple-Chef Tim Cook verstehen können“. Wie bitte? Ich soll verstehen, dass der profitabelste Konzern der Welt in dem Steuerparadies Irland seine Riesengewinne zu Steuersätzen von zum Teil nur 0,005 Prozent versteuert hat? „Apple, wohlgemerkt, hat keinen Cent Steuern hinterzogen, der Konzern hat gezahlt, was er zu zahlen verpflichtet war“ heißt es in dem Kommentar. Das mag ja formal stimmen, aber die Abmachung mit dem irischen Staat als Komplizen war auf alle Fälle eine Vereinbarung zu Lasten Dritter. Zu Lasten all jener, die einen derartigen Deal in keinem Paradies abschließen können und auch nicht wollen und die Steuern für notwendig halten, um den Staat in Stand zu setzen, all seinen Verpflichtungen zum Wohle der Bürger nachzukommen.
Der Skandal ist diese Amigo-Mentalität mit Steuerunterbietungswettbewerb. Der IT-Riese weist 2015 in Deutschland einen Umsatz von 538 Millionen und 51 Millionen Gewinn aus. Dafür zahlte Apple 14,1 Millionen Steuern. Es heißt, in Irland seien pro eine Million Umsatz nur 50 Euro gezahlt worden. Wahrhaft paradiesisch.
Wenn es für manche Zeitgenossen schon keine Steuerverweigerung mit Absprache war, so handelt es sich doch um eine illegale Beihilfe, für die sich die EU-Kommission interessieren sollte. Von Tim Cook war laut BILD AM SONNTAG zu erfahren, dass er die EU-Entscheidung für „totalen politischen Mist“ hält. Das HANDELSBLATT zitiert ihn so: „Niemand hat etwas Falsches getan. Auf Irland wird herumgehackt“.
2015 ist immerhin Bewegung in den internationalen Steuerkarussellbetrieb gekommen. „Über 60 Staaten haben neue Transparenzregeln für die Besteuerung von Konzernen vereinbart“ heißt es aus dem Schäuble-Ministerium. Nun warten wir alle auf deren Umsetzung.
Derweil geht der Streit um besagte 13 Milliarden munter weiter. Irland will sie auf keinen Fall haben, aus Angst, sein bewährtes Billigsteuergeschäftsmodell könnte ernsthaft beschädigt werden. Auch aus den anderen geprellten Ländern wurde bisher kein Ruf laut nach dem Motto: „Her mit der Kohle!“ Ein öffentlicher Ideenwettbewerb würde sicher viele gute Vorschläge für die Verwendung dieses Jackpots erbringen. Zumal die Milliarden von Amazon, McDonalds, Starbucks, Google, Facebook und wie sie alle heißen, demnächst auch auf eine gerechte Verteilung warten.
Verwunderliches war in der Causa Apple wieder einmal aus dem schönen Bayern zu vernehmen. So hat der landeseigene Finanzminister Söder die Brüsseler Entscheidung lauthals kritisiert und gar vor einem Handelskrieg gewarnt. Unterstützung findet Söder bei der Chefredakteurin der BamS, die es auch falsch findet, „was sich die EU da mit Apple gerade abkneift“.
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