Kolumne August 2014
Zusammen mit meinem Freund und Verleger Gerhard Steidl besuchte ich 1988 den isländischen Nobelpreisträger Haldor Laxness in der Nähe von Reykjavik. Neben den vielen Naturerlebnissen und den Papageientauchern mit ihren beeindruckenden Schnäbeln ist mir eine ganz profane Beobachtung in Erinnerung geblieben. Nicht nur Jugendliche zahlten selbst Kleinstbeträge wie beim Hamburger-Kauf fast ausschließlich mit Kreditkarten aus ihrem reichhaltigen Bestand. Später erfuhr ich, dass die Nordländer bei der Abschaffung des Bargeldes schon immer weiter waren als wir, es dort inzwischen zum Auslaufmodell mutiert ist.
Einer der beiden Sängerknaben aus der Schlagertruppe ABBA schaffte es kürzlich noch einmal mit einem Experiment in die Medien. Stolz verkündete er urbi et orbi, er sei in einem Selbstversuch ein ganzes Jahr ohne Münzen und Geldscheine ausgekommen. Nach dieser Erfahrung kämpft er nun für eine bargeldlose Welt und nebenbei für eine Bank, die das ABBA-Museum sponsert. Eine Welt, in der wir alle ohne Portemonnaie glücklicher und zufrieden leben werden. Auch in Dänemark gibt es immer mehr Unternehmen, die nur noch die Karte akzeptieren. Als aber eine schwedische Bank sich kürzlich weigerte, ihre Kunden weiter mit Barem zu bedienen, regte sich Widerstand bis zu Boykottandrohungen gegen das Geldinstitut. Dass die Banken im Allgemeinen an der Umstellung des Zahlungsverhaltens interessiert sind, verwundert nicht, verdienen sie doch an jeder Transaktion im Netz. Dass wir in Zeiten von NSA auf diesem Wege der totalen Überwachung einen Riesenschritt näher kommen, scheint der Konsumentenschar noch egal zu sein.
Zwar würden dann Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung erheblich erschwert. Nicht zu erwarten ist allerdings, dass Amazon, Apple, Google, Starbucks und all die legalen Steuerhinterzieher deshalb auch nur einen Cent mehr zum Gemeinwohl beitragen würden. Bleibt die Frage, was machen all die Leute, die heute schon über kein Bankkonto und damit auch keine Kreditkarte verfügen? Wo bleiben die Bettler? Es heißt, die Obdachlosen Stockholms hätten bereits auf Kartenzahlung umgestellt. Seitdem sollen ihre Umsätze sogar gestiegen sein. Die Prostitution wird wohl kaum signifikant zurückgehen. Möglicherweise entwickeln sich auch ganz neue Formen der Tauschwirtschaft.
Ein Aspekt wurde in der Bimbes-Debatte bis jetzt fast ganz ausgeblendet. In Zeiten, in denen Zinsen auf Bankguthaben gegen Null gehen, kann man bei Käufen gegen Bares Preisnachlässe bis zu 20% aushandeln.
Neben dem schwedischen Alt-Popper zieht noch ein anderer Missionar durch die Vorstandsetagen der nationalen Großbanken, um vor der besonderen Gefährlichkeit des Barverkehrs zu warnen. So will der amerikanische Wirtschaftsprofessor Miles Kimball den Besitz von Bargeld verteuern, um gegebenenfalls die Einführung von Negativzinsen als geldpolitischem Instrument zu erleichtern. Er möchte, dass die Staaten künftig nur noch elektronisches Geld als gesetzliches Zahlungsmittel anerkennen. An die Abwertung von Bargeld ist gedacht, wenn in Krisenzeiten nach Ansicht der Ökonomen Negativzinsen auf Bankkonten notwendig würden. Dieses Modell läuft darauf hinaus, bares Geld so unattraktiv wie möglich zu machen.
Bargeld lacht? Wenn wir nicht aufpassen wird mit dem Baren ein weiteres Stück Privatheit verloren gehen. Es ist zu befürchten, dass dem Bargeld das Lachen schneller vergehen wird, als so manchem lieb sein wird.