Kolumne 6. November 2014
In der Verteidigung der Bahn als Gemeinschaftserlebnis und umweltfreundliche Beförderungsart, habe ich mich bisher von niemandem übertreffen lassen.
Doch jetzt wird sie gleich von mehreren Seiten in zerstörerischer Absicht in die Zange genommen. Die gegenwärtige Arbeitsverweigerung der Lokomotivführer samt Teilen des Zugpersonals bildet nur eine sichtbare Kampflinie, die durch das unglückliche Agieren ihres GDL-Vorsitzenden für besondere Empörungswellen sorgt.
Die wahren Hintermänner der jetzigen Zustände sind Richter des Bundesarbeitsgerichtes, die 2010 entschieden, dass konkurrierende Gewerkschaften in einem Betrieb zulässig sind. Es sei dahingestellt, ob die GDL als Spartenvertretung erst eine Gewerkschaft im klassischen Sinne werden will. Das frage ich als Mitglied einer anderen breit aufgestellten Gewerkschaft. Für viele erscheint sie zunächst als Zusammenschluss einer bestimmten Berufsgruppe zur Durchsetzung privilegierter Interessen ohne Rücksicht auf das Gesamtgefüge Bahn. So geht auch der gegenwärtige Streik nicht nur um berechtigte Lohnforderungen und verbesserte Arbeitsbedingungen. Im Zentrum steht der Kampf des Zwergen GDL gegen den zehnmal stärkeren Riesen EVG, der größten Bahngewerkschaft.
Der Bahn droht aber auch aus der Politik immer neues Ungemach. Was der umtriebige Herr Mehdorn mit seinem Zerstörungswerk durch Weltmachtträume von innen nicht schaffte, wird nun seit einiger Zeit durch die Freigabe der privaten Fernbuslinien als unmittelbarer Konkurrent der Bahn von außen möglich. Von den Medien wird diese Entwicklung fast unisono als großer Vorteil für die Verbraucher gefeiert, all ihrem sonstigen Umweltbesorgnisgequatsche zum Trotz.
Sieht man von der erhobenen Mehrwertsteuer und den ewigen Versuchen der EU, Bahn und Schiene zu trennen, einmal ab. Die Gewinnabschöpfung vom Bahnerlös bildet im Bundeshaushalt eine feste Größe. Das selbstgewählte Armageddon bleibt aber die Rochade des von der Bundesregierung entsorgten Herrn Pofalla in den Bahnvorstand. Eine wirklich vermeidbare Ausgabe, die beim besten Willen nicht als Teil regelmäßig anstehender Fahrpreiserhöhungen taugt.
Um das Unglück der Bahn noch zu steigern, entschieden kürzlich die Richter des Europäischen Gerichtshofes, menschlichen Allmachtsphantasien folgend, dass sich die Bahn, bei welchen Naturkatastrophen auch immer, nicht mehr auf Höhere Gewalt berufen kann und somit auch für jeden unverschuldeten Ausfall schadensersatzpflichtig ist.
Für mich alles Gründe, allen Bahnfeinden zum Trotz , diesem Beförderungsmittel treu zu bleiben. Auch um meinen Vorrat an Geschichten um das Bahnfahren zu erweitern. Bei meinen Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsstelle auf die Bahn angewiesen, fühle ich mich jedoch wie Millionen andere zum wiederholten Male in Geiselhaft genommen. Oder muss ich mich jetzt ob des für biblische 7 Tage ausgesetzten Streiks dankbar erweisen, um die Geiselnehmer nicht zusätzlich zu erzürnen? Arme Bahn.
Jedenfalls glaube ich, nicht alleine dem möglicherweise verwegenen Gedanken anzuhängen, wonach die Bahn Teil der Daseinsvorsorge ist und die Lokführer natürlich entsprechend ihrer verantwortungsvollen Arbeit bezahlt werden müssen und dafür selbstverständlich auch streiken dürfen. Die Kapriolen des Kollegen Weselsky stellen jedoch die Akzeptanz des verfassungsmäßig garantierten Streikrechts in der Bevölkerung mehr und mehr in Frage. Neoliberale Ideologen könnten nicht planmäßiger agieren.