Steuer-Hopping

Kolumne November 2014

Als es wieder einmal um die kriminelle Energie multinationaler Konzerne bei der Steuervermeidung ging war die mediale Erregung kurz und heftig. Erregung worüber eigentlich? Höchstens die Höhe der Gaunereien bot  Überraschungen. Denn dass die Niederlande, Luxemburg, Großbritannien, Malta und Irland seit Jahrzehnten Wettbewerber im Kampf um die Armee der „legalen“ Steuerflüchtlinge sind, ist längst bekannt.

Es sind eben nicht nur die fernen Kloaken, die als Steuerparadies firmieren, wie die Kaiman- oder Jungferninseln, sondern auch die so lieben Nachbarn von nebenan. Und wenn dann zum wiederholten Male dieselben Politiker über dieselben Schweinereien sich kurz erregen, dann geloben sie, man wolle nun aber endlich gegen diese Ungerechtigkeit vorgehen. Der G20-Gipfel war da nur eine Etappe des guten Willens mit wenig Aussicht auf Erfolg.

Die jüngsten Enthüllungen haben höchstens dadurch eine neue Dimension bekommen, als der eloquente Herr Juncker ins Visier geriet. Der frisch gekürte EU-Präsident als Pate der Paten? War doch alles legal wird der nette Mann sagen, wenn die öffentlich bestellten Jäger mit ihren Schmetterlingsnetzen anrücken. Auch im kleinsten europäischen Haus ist Platz für abertausende Briefkastenfirmen. Im Übrigen treiben es die Holländer doch noch viel schlimmer, könnte er sagen, und erst all die anderen. Derlei Praktiken seien eben Bestandteil neoliberaler Politik. Was selbst IKEA mit seinen Billy-Regalen und Köttbular-Fleischbällchen macht, könne doch gar nicht verwerflich sein. Wenn sich Konzerne mit ihren Milliardengewinnen steuerlich gegen Null rechnen, sei das nun mal die höchste Stufe des Kapitalismus. In free Europe könne doch jeder Gleiches tun.

Wenn von Steuerflucht die Rede ist, muss ich immer an den 19.März 1993 denken. Als Verleger des Künstlers A.R.Penck wurde ich Zeuge, wie in der Deutschen Bank Luxemburg, Blvd. Adenauer 2, seine monumentale Plastik DELPHI HELIOTROPH enthüllt wurde. Während des abendlichen Banketts war ich Tischnachbar des Bankdirektors. Ich erinnere mich noch an ein Rätselraten, wie viele Millionen in wie große Koffer gingen. Das Gebäude ist versehen mit einer langen Einfahrt in eine Tiefgarage mit Fahrstuhlanschluss. Irgendwann postierten sich oben deutsche Zöllner und notierten die Autonummern. Immerhin. Gemessen an den Milliardencoups der Konzerne im Hier und Jetzt war die Kofferconnection damals nur Peanuts. Aber auch Luxemburg hat im internationalen Steuerroulette einmal klein angefangen. Derzeit existieren vier große international agierende Agenturen, die darauf spezialisiert sind, Konzerne im Steuer-„Oasen“-Hopping zu beraten.

Im letzten Bundestagswahlkampf habe ich jedem Kandidaten dessen ich habhaft werden konnte, gefragt, was er denn gegen diese Steuerschiebereien zu tun gedenke. Die Antwort unisono: Man könne nur international dagegen vorgehen. Also gar nicht. Aber kann die Politik überhaupt noch den übermächtigen Konzernen trotzen? Dennoch wollen sie mit ihren Pappschwertern nun beherzt zum soundsovielten Male den Endkampf mit dem vielköpfigen Drachen aufnehmen. Solange bleibt Herr Juncker selbstverständlich im Amt. Auch die Konzerne sehen keinerlei Veranlassung ihre Steuerhinterziehungsstrategien zu ändern.

Abschließend seien die lieben Leserinnen und Leser indes dringend aufgefordert, pünktlich ihre Steuererklärungen einzureichen, wenn sie die sonst fälligen Säumniszuschläge vermeiden wollen. Ordnung muss sein.

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