Nicht einknicken!

Kolumne 29. Januar 2015

Die Demokratie hat derzeit viele Herausforderungen zu bestehen. Eine davon ist die Entscheidung, ob wir nach den Pariser Morden verbriefte Rechte zum Schutz der ohnehin schon löchrigen Privatsphäre einem vermehrten Sicherheitsbedürfnis zum Opfer fallen lassen. Die zahlreichen öffentlichen Bekundungen lassen immerhin darauf schließen, dass das von der Verfassung unter besonderen Schutz gestellte Recht auf freie Meinungsäußerung von kaum jemand ernsthaft in Frage gestellt wird. Jedenfalls gab es wohl noch nie so viele öffentlich bekennende Verteidiger der Satire. Streit gibt es allenfalls über die Grenzen von noch erlaubt oder schon herabwürdigender Schmähkritik.

Wegen meiner eigenen satirischen Arbeiten bin ich selbst oft belangt worden. Dabei habe ich mit den deutschen Gerichten ausnahmslos gute Erfahrungen gemacht. Denn sie allein sind der zuständige Ort der Auseinandersetzung, wenn sich jemand verletzt oder beleidigt fühlt. Dass es in einem freiheitlich organisierten Gemeinwesen bei der Behandlung religiöser Themen gelegentlich zum Streit kommt, liegt in der Natur der Sache. 

Diese besonders ausgeprägte Verletzbarkeit gibt jedoch noch niemandem das Recht, es auf eigene Faust mit Waffengewalt zu exekutieren. Deshalb ist es jetzt so wichtig, nicht vor der latenten Gewaltandrohung einer terroristischen Minderheit einzuknicken und mühsam erkämpfte Freiheitsrechte im vorauseilenden Gehorsam in Frage zu stellen. Den Maßstab definieren unsere auf demokratischem Wege zustande gekommenen Gesetze. Dass in ihnen noch der Blasphemie-Paragraf überwintert hat, wird periodisch wiederkehrend heftig diskutiert, schwankend zwischen ersatzloser Streichung und Verschärfung, für die sich in der letzten Streitrunde ein bekannter Autor besonders stark machte. Kaum je angewandt, kann diese spezielle Strafandrohung von mir aus auch verschwinden, ohne dass die Demokratie deshalb Schaden nimmt. Der Beleidigungsparagraf gewährt genügend Schutz.

Dennoch gibt es in letzter Zeit Urteile, die verstören. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes bei den Wahlen zum Europa-Parlament die 5%-Hürde auf 2% herabzusetzen, gehört für mich in diese Kategorie. Anfängliche Rufe, für nationale Wahlen Gleiches gelten zu lassen, sind erst einmal wieder verstummt. Vielleicht haben sich ja doch noch einige Demokraten an die Weimarer Verhältnisse mit ihrer zerstörerischen Parteienzersplitterung erinnert.

Für mich nicht nachvollziehbar ist die Eilentscheidung eines Verwaltungsgerichts, das jetzt dem Düsseldorfer Oberbürgermeister verbot,  als Amtsträger weder zu Protesten gegen eine Demonstration der islamfeindlichen „Dügida“-Bewegung, noch für die Teilnahme an einer Gegendemonstration aufzurufen. So müssen entsprechende Äußerungen auf der Internetseite der Stadt entfernt werden. Die seltsame Urteilsbegründung: Als Amtsträger sei er „zur Neutralität“ verpflichtet. Und weiter: Er dürfe nicht „unter Einsatz seiner ihm aus seinem Amt zukommenden Möglichkeiten … in der politischen Diskussion gezielt Stellung beziehen“. Gut, dass der OB gegen dieses Urteil in Berufung gegangen war und das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung anschließend wieder aufhob. Denn es ist geradezu seine demokratische Pflicht, sich auch mit dem Amtsbonus zur Wehr zu setzen, wenn er die Demokratie in Gefahr sieht, auch wenn das der Präsident des Verwaltungsgerichtes nach wie vor „im Namen des Rechtsfriedens“ ganz anders beurteilt.

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