Kolumne Februar 2015
Hört und liest man von den schwindelerregenden Ergebnissen internationaler Auktionshäuser, könnte man stets aufs Neue den Eindruck gewinnen, dass die Kunst endgültig nur noch nach den Gesetzmäßigkeiten der Märkte betrachtet wird. Spätestens im jüngst ausufernd ausgetragenen Streit um die Veräußerung der beiden Andy Warhol-Bilder durch den Aachener Casinobetreiber WestSpiel wurde das Phänomen exorbitanter Wertsteigerung zeitgenössischer Kunst noch einmal in feuilletonistischer Breite hin und her bewegt.
Nicht etwa um das Wahnsystem zu hinterfragen, sondern um politische Rechnungen zu begleichen. So wurden die allseits beliebte nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin samt Finanzminister des Kunstbanausentums und der Kulturbarbarei geziehen, die nichts weiter im schnödem Sinn hätten, als „irgendwelche Haushaltslöcher“ (FAZ) zu stopfen. So heroisch der Kampf um das Bleiberecht der Warhols auch geführt wurde – glaubwürdiger wären die Verteidiger der Kulturnation gewesen, wenn sie sich gleichzeitig auch nur andeutungsweise ein paar Gedanken gemacht hätten, wie denn der Staat jene ominösen „irgendwelchen Haushaltslöcher“ beispielsweise durch die Heranziehung all der prominenten Steuerverweigerer von Amazon, Starbucks, Google und Co. Gestopft werden könnten. Bloßes Politiker-Bashing ist zwar äußerst populär, löst aber kein Problem. In diesem Zusammenhang würde sich auch lohnen, den alten und neuen Freeports mehr Aufmerksamkeit zu schenken, in denen nicht nur die Superreichen ihre Schätze von Gold, Schmuck etc., sondern auch ihren Kunstbesitz zoll- und steuerfrei vor dem Fiskus verstecken. Diesen Einrichtungen mit Wohnanschluss hat die Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung wertfrei eine ganze Seite gewidmet. Dabei braucht man gar nicht bis nach Singapur zu blicken, jenem neuen Refugium für die Steuerbetrüger der globalen Weltunwertegemeinschaft.
Es bedarf nur des Besuchs im VIP-Bereich der Basler Kunstmesse ART. Dort wird man gern an jenem Stand beraten, wie man erfolgreich dem Staat das ganz große Schnippchen schlägt. Dort kann man sich auch für die Rückfahrt edel designte Broschüren geben lassen, in denen das Prozedere so exakt beschrieben wird, dass dem gemeinen Steuerzahler nach der Lektüre die Resthaare zu Berge stünden, wenn er sie denn zu lesen bekäme. Aber er schafft es ja nicht mal in den Sicherheitsbereich der VeryVeryImportant Persons. Dafür ist schließlich aus schlechtem Grund gesorgt.
Wem Luxemburg durch die letzten Offenbarungen in Sachen Steuerdumping für Großkonzerne zu suspekt erscheint, der kann auch auf das Genfer Zollfreilager ausweichen, wenn er lieber in Europa bleiben möchte. Im Rennen um die Stinkreichen dieser Welt möchte die gute alte Schweiz nach der Offenlegung der Geschäftsidee vom Verkauf der Steuer-CDs nicht ganz aus dem Millionenspiel aussteigen.
Eingedenk all dessen bereite ich jetzt für März in der Berliner Akademie der Künste eine recht unzeitgemäße Ausstellung vor: KUNST FÜR ALLE. Antizyklisch scheint es mir an der Zeit, jenseits des Geschreis um die explodierenden Kunstmärkte und Renditeerwartungen an Alternativen zu erinnern. Ja, es gab sie einmal, die Intuitions-Kiste aus Holz von Joseph Beuys für 8 DM. Es gab auch die zahlreichen Künstlerselbstorganisationen und alternativen Messen, um sich den Märkten zu entziehen. Vieles ist wieder verschwunden. Versuche, diese Möglichkeiten wieder zu beleben, lohnen allemal.