Eine Spritidee 

Kolumne April 2015

Die Nachricht las ich zuerst in einer Berliner Tageszeitung als Aufmacher im Teil ‚Mobil‘. Datum 11. April und nicht etwa 1. April, wie man hätte vermuten können. Die Überraschung neben einem abgebildeten alten VW-Bus lautete: „Das Auto als Weltkulturerbe“.

Im Interview begründet der Vorsitzende des Parlamentskreises ‚Automobiles Kulturgut‘ den Vorstoß bei der UNESCO so: „Mobilität wurde durch das Auto erst möglich“. Eine recht kühne Behauptung, ist doch die Menschheit nun schon seit Menschengedenken ständig unterwegs, auch ohne Auto. Ganze Völkerwanderungen, die Kreuzzüge, die Wanderer auf dem Jakobsweg waren und sind höchst mobil, auch ohne Auto.

Das genaue Lesen des ganzen Interviews brachte Entwarnung. Es geht dem parlamentarischen Antragsteller um Oldtimer und nicht um all die Millionen Blechkisten, die mehr und mehr unsere Straßen verstopfen, die Umwelt verpesten und verantwortlich sind für die 3350 Verkehrstoten allein im letzten Jahr. „Ich glaube, dass wir mit der Anerkennung als immaterielles Unesco-Kulturerbe, an der wir mit der Initiative Automobiles Kulturgut e.V. derzeit intensiv arbeiten, eine Art Impfschutz bekommen gegen Benachteiligung dieses geschichtlichen Aspekts. Und es geht uns um das Hobby der Oldtimerei an sich, das die Menschen verbindet“. Impfschutz gegen welche Krankheit, gar Benachteiligung?

Immerhin war ich etwas beruhigt. Es soll offenbar doch nicht – wie ich zunächst vermutete – um das gemeine Auto als solches, gar den Geländewagen als Spritfresser, die Premiumklassen, den Lastwagen oder am Ende noch um die Boliden der Formel 1 gehen. Wo liegt die Grenze? In unserer sprichwörtlich ’schnelllebigen Zeit‘ werden Neuwagen schnell zum Alten Eisen.

Trotz allem Verständnis für das Hobby, das die Menschen PS-mäßig so innig zusammenführt, halte ich den Gedanken vom angestrebten Kulturerbe für eine Spritidee. Die Benzin-Oldies sind nach 30 Jahren schon von der Abgasuntersuchung befreit, dürfen mit dem H-Kennzeichen in alle Umweltzonen einreisen und profitieren von einer niedrigeren Kfz-Steuer. Oder hat da jemand an die laufenden Verhandlungen um das viel diskutierte Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU gedacht? Schließlich geht es da auch um die Automobilindustrie und den Schutz der Kulturgüter. Vielleicht ergeben sich da ja neue Allianzen! Wer weiß denn, ob nicht doch noch der Automobilverband auf die Idee kommt, sämtliche PS-Vehikel unter UNESCO-Schutz zu stellen. Dann aber bitte den ADAC gleich mit. 

Sollte die UNESCO dem Antrag der Autofreunde nachgeben, stellen sich ganz neue Fragen. Auch Rentner dürfen schließlich noch am Straßenverkehr teilnehmen. Sie fahren sogar Rennen, wie jetzt am Heidelberger Königstuhl. Wäre dann eine Karambolage vom Blech- bis zum Totalschaden ein Fall für die Kulturstaatsministerin wegen Zerstörung unwiederbringlichen Kulturguts?

Rund ums Auto ist man ja vor Überraschungen nie ganz sicher. Neuestes Beispiel: Der breit angekündigte ‚Blitzmarathon‘, um die Raser wenigstens für einen Tag daran zu erinnern, dass man nicht ständig Vollgas geben muss. Vielleicht war aber die ganze Kampagne nur ein Werbefeldzug der Zeitungsverleger, Fernseh- und Radiosender? Denn trotz der für diesen Tag breit angekündigten Geschwindigkeits-Messungen fuhren allein in Berlin mehr als 1200 Raser ungebremst in die Radarfallen. Bundesweit soll es sogar mehr als 90000 Verstöße gegeben haben – trotz Warnungen. Freie Fahrt für freie Bürger.

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