Nazispuk zum 1. Mai

Kolumne 6. Mai 2015

Da wäre doch bei aller Fixierung auf Pegida und eine immer mehr nach rechts driftende AfD beinahe untergegangen, dass auch noch das Original existiert und seine Existenzberechtigung brachial verteidigt. Seit dem 1. Mai wissen wir, es gibt sie noch, die echten Rechtsradikalen, also die NPD und ihr pöbelnder Jugendverein „Junge Nationale“, angeführt vom Bundesvorsitzenden Sebastian Richter.

„Der 1. Mai war erfolgreich, egal ob in Saalfeld, in Essen oder in Weimar! Wer nicht auf der Straße war, der hat die Schnauze zu halten“, schreibt einer, der offenbar dabei war, in den Altermedia-Blog, dem wohl übelsten braunen Gebräu im der Nazigemeinde im Internet.
Nur zur Erinnerung: In Saalfeld wurden drei Gegendemonstranten auf dem Heimweg krankenhausreif geschlagen, in Weimar stürmte ein Rollkommando der Jungen Nationalen den Marktplatz, um eine Veranstaltung des DGB mit brutaler Gewalt zu stören. Selbst der Oberbürgermeister und ein SPD-Bundestagsabgeordneter wurden attackiert.
Damit sind wir auf dem besten Wege zu einer neuen `Qualität` der Auseinandersetzung. Weimar, wo noch vor wenigen Tagen auf bewegende Weise mit den letzten Überlebenden an die Befreiung des KZ Buchenwald erinnert wurde, erschien den NPD-Schlägern der passende Ort zu sein, um zu zeigen: „Wir sind auch noch da!“ Offenbar fürchtet die NPD-Klientel den wachsenden Bedeutungsverlust in der Konkurrenzsituation mit den schnaubenden Wutbürgern aus Dresden und den Alternativ-Deutschen. Und in festem Glauben an die langsamen Mühlen der Rechtsorgane, ein angedrohtes Verbot der Partei und ihrer Unterorganisationen auch wirklich durchzusetzen, stellt die Partei das ganze System wieder einmal auf die Probe. Wie weit kann man gehen, eine Stadt und ihre Bürger bei einer Gewerkschaftsveranstaltung, die mehr einem familiären Volksfest glich, unter den Augen zahlreicher Touristen in diesem Nazispuk vorzuführen? 

Ich meine, wir sollten Provokationen wie diese nicht so schnell als Bagatelldelikte von ein paar verrückten Zeitgenossen abhaken und es den Tätern ungestraft durchgehen lassen. Eine Horde von fünfzig organisierten, gewaltbereiten Provokateuren besteht immerhin aus fünfzig Individuen mit konkreten Vorstellungen von einer politischen Zukunft unseres Landes. Wir sollten sie aus ihrer Anonymität holen, nicht zuletzt, um von ihnen zu erfahren, welches Gewaltpotenzial sich hier verbirgt. Deshalb ist es nur zu wünschen, dass die Ankündigung, die rund dreißig gefassten Täter wegen Landfriedensbruchs, Körperverletzung, Verstoßes gegen die Versammlungsordnung und anderer Delikte anzuklagen, nicht im Sande verläuft. Denn diese Aktion war kein spontaner Nazi-Flashmob. Sie war gut geplant und angekündigt. Wenn der BND sich nicht nur auf seine gerade in Thüringen zweifelhaften V-Leute verlassen, sondern selbst einmal im Internet nachsehen würde, hätte er es am 30. April auf den Seiten der Jungen Nationalen lesen können: „Morgen ist der Arbeiterkampftag. Holt euch die Straßen zurück! Zeigt den Arbeiterverrätern von SPD bis DGB: HIER STEHT DIE DEUTSCHE JUGEND!“ Und in den Internetforen wurde der praktische Rat erteilt, statt von der NPD-Großdemo zu träumen: „Da gehe ich lieber wieder den DGB belästigen“, denn am 1. Mai sei es notwendig, „Bewegung ins Spiel zu bringen, wenn man wahrgenommen werden will“. Jede Form der äußeren Wahrnehmung sei wichtig. Das war, wie wir jetzt wissen, auch der klare Aufruf zur Gewalt.

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