Aussicht auf eine Rundfunklizenz?

Von der russischen Regierung finanzierter Propagandasender RT DE baut seine Präsenz in Berlin aus. Kolumne vom 18.03.2021.

Erst einmal die gute Nachricht: Am Standort Berlin werden Bewerber für rund 200 Stellen im Mediengeschäft gesucht. TV-Redakteure, Korrespondenten, Kameraleute, Grafikdesigner, technische Leiter, ein Chef für die PR und sogar einer fürs Personal. Alles gut bezahlte, sichere Jobs, von 2500 € im Monat bis zu 80.000 im Jahr. Das will was heißen, denkt man an die vielen einst fest-freien Medienschaffenden, deren Verträge auf der Kippe stehen oder schon gekündigt wurden.

„Wenn Du beim Programm der öffentlich-rechtlichen Sender einnickst und bei den privaten am liebsten wegschauen würdest — dann bist Du bei uns genau richtig“, heißt die verlockende Botschaft. Die Redaktion suche Verstärkung, weil man die „führende alternative Nachrichtenquelle“ bleiben und sich zu einem dynamischen TV-Sender entwickeln will, der demnächst live auf Sendung geht. Wer hier den Mund so voll nimmt und offenbar über unerschöpfliche finanzielle Quellen verfügt, hat schon seit 2014 einen deutschen Internetauftritt und eine auffallende Präsenz. Der Name wechselte von Russia today über RT deutsch zu RT DE. Der Eigentümer blieb der selbe, nämlich der russische Staat, der sich die mehrsprachige Auslandspropaganda etwas kosten läßt. Und dem deutschen Publikum fühlt sich die Zentrale in Moskau besonders verbunden. Der in Berlin residierende Chefstratege Ivan Rodionov will zu den hiesigen „Systemmedien“ eine „Gegenöffentlichkeit“ schaffen, deren „kontinuierliche kritische alternative Sichtweisen und Berichte“ deutschen Journalisten ein Beispiel geben sollen. Man denke an Bachmanns Pegida-Auftritte, die über RT Deutsch im Livestream verbreitet wurden. Auch AfD-Höcke konnte sich schon mal für den Support bedanken.

Am vergangenen Wochenende erinnerte RT DE mit Berichten von allen aktuellen Aktionen gegen die Corona-Maßnahmen an die ersten Proteste gegen die „Corona-Diktatur“, die vor einem Jahr in der Berliner Friedrichstraße begannen, über Stunden per Internet verbreitet wurden und es so erst zu medialer Bedeutung brachten. Kein Plakat wurde ausgelassen und selbst der perfide Mißbrauch des „Liedes der Moorsoldaten“ diente dem TV-Team der Agentur „Ruptly“ zur akustischen Begleitung der Hetzkampagne. „Ruptly“ hat seinen Sitz in der Lennéstraße nahe am Tiergarten. Die Direktorin Dinara Toktosunova erscheint in gleicher Funktion auch im Impressum von RT DE, das in Adlershof auf die neuen Mitarbeiter wartet.

Bei den Berichten vom letzten Samstag aus Stuttgart, Düsseldorf und Dresden ließ man einfach die Kameras laufen, zeigte die Akteure und die Polizisten, darauf vertrauend, dass sich die Ordnungskräfte, indem sie ihre Arbeit taten, und zum Teil ungenehmigte Aufzüge beendeten, für die Betrachter ins Unrecht setzen. Selbst ein Mann im roten Anorack, der sich voller Aggressivität auf einen Polizisten stürzt und dann, was er offenbar bezweckte, vor der Kamera zu Boden gebracht wird, dient der Legende von den aggressiven „Bullen“, die schlicht ihre Haus retten müssen. Allein in Dresden wurden 12 von ihnen verletzt. Die Bilder geben nur das Geschehen wider, weil sich RT DE auf mehr als 1200 Kommentare aus der Internetgemeinde verlassen kann, die RT den kollektiven Dank abstattet: „Helft uns im Kampf der Gerechtigkeit!“ „Der Faschismus kehrt zurück!“ Der kommende Bürgerkrieg wird beschworen, Polizisten als „Leibstandarte“, „GESTAPO“, „Terrorsöldner“, „SS“ diffamiert. RT DE läßt in seinem Beitrag zur hybriden Kriegsführung den Hasspredigern freien Lauf. Viel Spaß mit diesem Arbeitgeber.

Die Kolumne erschien am 18.03.2021 in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau (den Titel „Alternative Fakten“ hat die Redaktion der Frankfurter Rundschau gewählt) .

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