SUVs sind nach wie vor beliebt. Doch allein die deutschen SUV-Bauer müssen durch das Überschreiten der EU-Flottengrenzwerte mit Strafzahlungen von bis zu zwei Milliarden Euro rechnen. Trotz der Folgen fürs Klima hält der Trend zu schweren, großen Autos an. Wo soll das hinführen? Kolumne vom 19.08.2021.
Meine Zweifel bleiben, ob der gerade veröffentlichte Bericht des Weltklimarates nach dem kurzen Erschrecken auch langanhaltende Änderungen der menschlichen Gewohnheiten und Verhaltensmuster zur Folge hat. Dabei wurde in der Auswertung der über sechs Jahre währenden Klimastudien selten drastischer formuliert, was uns erwartet, wenn es nicht gelingen sollte, den weiteren Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Doch selbst die Hochwasserkatastrophe mit ihrer offenen Milliardenrechnung und die Feuerbilder rings ums Mittelmeer sind irgendwann wieder Teil des Nachrichtengeschäfts, weil es uns, ganz persönlich, ja noch nicht getroffen hat.
Aus meinen Papierstapeln, die mich in meinem Büro umgeben, fischte ich dieser Tage einen Greenpeace-Report vom Dezember vorigen Jahres. Er war dem SUV-Wahn deutscher Autohersteller gewidmet, die mit ihren Verkaufserfolgen den CO2-Ausstoß kräftig steigen lassen. Die schweren großen Neufahrzeuge bestimmen inzwischen ein Viertel der Verkaufszahlen und ihr höherer Verbrauch im Vergleich zu gängigen, aber aus der Mode kommenden Limousinen oder Kleinwagen bläst auch mehr Kohlendioxid durch den Auspuff. Greenpeace liefert dazu die exakten Emissionswerte für jeden Typ und macht auch die Rechnung auf, dass allein die deutschen SUV-Bauer durch das Überschreiten der von der EU festgelegten Flottengrenzwerte Strafzahlungen von bis zu zwei Milliarden Euro zu erwarten haben. Denn pro Gramm Überschreitung und Auto fallen 95 Euro EU-Strafen an.
Der Bericht zitierte Benjamin Stephan, den Verkehrsexperten der Umweltaktivisten: „Volkswagen, Daimler und BMW entwickeln sich mit ihrem SUV-Wahn zu ökologischen Geisterfahrern. (…) Wer immer mehr schwere Spritschlucker verkaufen will, blockiert den Umstieg auf eine klimaschonende Mobilität und riskiert Milliardenstrafen.“ Deshalb hält er eine Zulassungssteuer auf klimaschädliche SUVs für unabdingbar. In Nachbarländern wie Frankreich, Niederlande, Österreich und Dänemark ist dies schon längst üblich. Aber das sind natürlich auch Länder, in denen es an einer so hyperaktiven Autolobby wie in Deutschland fehlt, weshalb die Nachbarn Geschwindigkeitsbeschränkungen durchsetzen konnten, die hierzulande noch als unvorstellbar und dem menschlichen Verstand widersprechend gelten. Oder habe ich unseren hoffentlich nur noch bis zur nächsten Regierungsbildung aktiven Verkehrsminister falsch verstanden?
Die Kolumne erschien am 19.08.2021 in der Frankfurter Rundschau.