Taurus auf T-Shirt

oder: Wer sucht den Ariadnefaden, der aus dem Krieg führt?     Kolumne vom 07.03.2024

Ein leichtfertig offen geführtes Gespräch hoher Bundeswehroffiziere, ungeschützt vor gegnerischen Mithörern, hat die Lage nicht verändert. Die Bundesrepublik wird nicht Kriegspartei. Am Ende hat der Kanzler das Wort: Die direkte Beteiligung deutscher Soldaten in der Ukraine ist ausgeschlossen.

Auch die „Macht der Bilder“ wird daran nichts ändern. Kürzlich war das Foto einer lächelnden Dame im T-Shirt zu sehen, bedruckt mit dem  Kopf eines fauchenden blauen Stiers (Taurus) auf gelbem Grund. Offensichtlich zeigte es den Minotaurus aus der griechischen Sagenwelt. Dieser ließ sich Jünglinge und Jungfrauen in sein Labyrinth bringen, so konnte Athen der Rache des Königs Minos entgehen. Bis endlich Held Theseus den Stier tötete und Dank Ariadnes Garnrolle den Weg zurück aus dem Labyrinth fand. 

Gibt es einen Ariadne-Faden, der den Weg aus dem Ukraine-Krieg weist? Und wie passt diese Geschichte vom toten Stier mit der Botschaft zusammen, die uns Frau Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, mit ihrem T-Shirt vermitteln will?  Am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz war ihr offenbar zur Verkleidung zumute, um die in ihrer Taurus-Entscheidung immer noch zögernden Ampelkollegen vorzuführen. Den Bundeskanzler vornweg.

Nun möchte ich als jahrzehntelanger Berufssatiriker kein Spassverderber sein – aber irgendwo hört der Spass auch auf. Spätestens dann, wenn es um Leben und Tod von tausenden Menschen geht, verlange ich, dass politische Mandatsträger ihren Job jederzeit ernst nehmen. 

Die Taurus-Verkleidung ließ daran zweifeln, weil der Ausgang des von Russland eröffneten Krieges das Schicksal Europas für die nächsten Jahrzehnte bestimmen wird. Und weil die angebliche „Wunderwaffe Taurus“ – da mochte Frau S.-Zi. noch so fassungslos in die Kamera schauen als sie von des Kanzlers Entscheidung gegen Taurus erfuhr – keineswegs den russischen Imperialismus aus der Welt schaffen würde.

Darf man Frau S.-Zi., die sich auf offiziellen FDP-Plakaten auch als „Eurofighterin“ bezeichnen läßt, eine Rüstungslobbyistin nennen? Wer mit einem Bundestagsmandat auch Mitglied im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik sowie beim Förderkreis Deutsches Heer war, (Korrektur: in der Erstfassung stand hier „ist“*) macht sich angreifbar. Doch jegliche Kritik, dass diesem Förderkreis auch Unternehmen wie die Rheinmetall AG und mehrere Tochtergesellschaften angehören, hielt die Verteidigungspolitikerin aus. Sie selbst war mit den eifrigsten Forderungen für die Lieferung von Leopard-Panzern in die Ukraine angetreten und hat den Kanzler verhöhnt, der nach wie vor gute Gründe hat, mit hoher Verantwortung jede Lieferung neuer Rüstungssysteme ins Kriegsgebiet mit den Partnern abzustimmen und ihre Eskalationsgefahr zu überdenken. *

Zur Erinnerung: 2014 der Karrieresprung von Ex-Minister Niebel (FDP) zum Cheflobbyisten der Rheinmetall und drei Jahre später die Wahl von Ex-Verteidigungsminister Jung (CDU) in den Aufsichtsrat der Rheinmetall AG. 

Die Westdeutsche Zeitung fragte vor einem Jahr die Verteidigungsausschuss-Vorsitzende: „Viele werfen Ihnen vor, Waffenschmieden wie Rheinmetall aus ihrem Wahlkreis in Düsseldorf zu unterstützen. Ist das alles Blödsinn?“ Ihre lapidare Antwort: „Ich habe mit diesen Unternehmen so viel zu tun wie mit dem Molkereibetrieb in Wanne-Eickel.“ Im Gegensatz zur regionalen Milchindustrie können die Rheinmetall-Aktionäre in aller Welt – vorwiegend USA – gegenwärtig ihr Glück kaum fassen, wie der Aktienkurs kriegsbedingt durch die Decke geht.

Die Kolumne erscheint am 07. 03.2024 in der Frankfurter Rundschau.

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  • Cord C. Schulz teilte für das Büro Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, MdB, mit, „dass Frau Strack-Zimmermann weder im Präsidium von DWT und Förderkreis Heer ist noch Mitglied in einem der beiden Vereine. Alle Ämter und beide Mitgliedschaften hat sie bereits vor Monaten niedergelegt beziehungsweise gekündigt.“
  • Frau Dr. Strack-Zimmermann wurde am 15. Dezember 2021 in der konstituierenden Sitzung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages zur Ausschussvorsitzenden gewählt. Der Verein Lobbycontrol  hat die Mitgliedschaften beim Förderkreis Deutsches Heer und der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (die sie erst 2023 beendet hat) als mit dem Vorsitz im Verteidigungsausschuss schlecht vereinbar bezeichnet. Beide Organisationen – so Lobbycontrol – hätten eine große Nähe zur Rüstungsindustrie, die damit einen direkten Zugang zum Parlament erhalte. In einem Beitrag vom 21. Juni 2023 schrieb Lobbycontrol: „Wir sehen diese verantwortlichen Posten von Abgeordneten in solchen, der Rüstungsindustrie nahestehenden Lobbyorganisationen kritisch, auch wenn sie ehrenamtlich ausgeübt werden. Klar dürfen und sollen sich Verteidigungspolitiker:innen auch mit der Rüstungsindustrie austauschen. Aber ein solcher Austausch sollte im parlamentarischen Raum stattfinden und nicht in Freundes- oder Förderkreisen. Letztlich wären die politischen Positionen der Abgeordneten sogar überzeugender, wenn man sich nicht fragen müsste, ob sie gerade als Abgeordnete oder Verbandsfunktionäre sprechen.“

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