Kolumne Mai 2008
„Rallye Paris-Dakar abgesagt!“ Im neuen Jahr gleich eine gute Nachricht, dachte ich. Da hatte ein Wahnsinn den anderen Wahnsinn nach 30 Jahren scheinbar beendet. Der islamistische Terror den motorisierten mit deutlichen Drohungen von der Wüstenpiste gefegt. Doch meine Freude währte nur wenige Wochen.
Die Offroad-Karawane zieht nämlich unbeirrt weiter, verkündeten vor kurzem die Veranstalter. Nach Argentinien und Chile. Ab in die Pampa. Wo im nächsten Jahr statt hungernder Kinder und religiöser Fanatiker einfache Gauchos und kreuzbrave Katholiken live dabei sein dürfen. Wenn zivilisationsmüde Rennfahrer ihr Weideland niedermähen und unser aller Klima verpesten.
Dass die Umwelt regelmäßig den Preis für die Rally zahlt, rührt Macher und Medien nicht. Ganz im Gegenteil: Sponsoren, Sender und die sogenannten Sportler jammerten nach der Absage nur über ihre eigenen Kosten. Wer ersetzt mir meine finanziellen Verluste, warum muss mein jahrelang trainierter Bleifuss ruhen? Wieso gönnen die humorlosen Terroristen uns bloß nicht den Wüstenkick? Doch damit nicht genug. Jutta Kleinschmidt, deutsche Rallye-Queen mit Wohnsitz im Steuerparadies Monaco, mag sich auch mit dem südamerikanischen „Exil“ nicht anfreunden. Argentinien und Chile hätten zwar schöne Strecken, doch „nicht diesen hohen Offroad-Anteil wie in Afrika“, klagt sie. Große Enttäuschung also bei den wohlstandsverwöhnten Abenteurern, die ihr Geld und ihre Zeit besser in die Entwicklungshilfe als in die Entwicklung hochgezüchteter Dreckschleudern investierten. VW und Mitsubishi haben schätzungsweise 50 Millionen Euro in das diesjährige Rennen gepumpt. Würde diese Summe in die soziale Infrastruktur und ökologische Projekte fließen, wäre nicht nur der Dritten Welt, sondern uns allen geholfen.
Aber nein! Dakar-Chef Étienne Lavigne füttert die geldgierige Meute in diesem Jahr noch mit zwei kleineren Rallys in Osteuropa und in Portugal. Damit die Fahrer „ihre Sponsoren und ihre finanzielle Situation retten können“, heißt es. Wer aber rettet Natur und Menschen vor den über 500 wildgewordenen PS-Profis oder vor fast ebenso vielen „Durchschnittsbürgern“, die sich bei der Alternativ-Rallye Plymouth-Dakar mit stinkenden Schrottschüsseln in der Sahara austoben. Außer der Wertung und ohne Verstand. Sie sind genauso lebensmüde wie hierzulande viele Möchtegern-Schumis, die deutsche Autobahnen gerne mal mit dem Nürburgring verwechseln und bei ihren PS-Duellen nicht nur den eigenen Kragen riskieren. Scheinbar lässt erst die Todesgefahr den Adrenalinspiegel von Fahrern, Fans und Fernsehmachern so richtig in die Höhe schießen.
Wäre es strikt nach der perversen Logik dieses Systems gegangen, hätte das Rennen eigentlich gestartet werden müssen. Viele Fahrer waren ja trotz Terrordrohung bereit, für ihre Sucht auch den Tod in Kauf zu nehmen. Die mit ihnen fluchenden Medien hätten sich bestimmt über die höheren Einschaltquoten und Werbeeinnahmen gefreut. Und gemeinsam hätte man sich vermutlich damit gebrüstet, Al-Qaida mutig die Stirn geboten zu haben. Mutig und vernünftig wäre es jedoch gewesen, weder die religiösen noch die motorisierten Fundamentalisten medial zu unterstützen. Dann müssten die Abenteurer nämlich bald zu Fuß in die Wüste oder in die Pampa. Der nötige Nervenkitzel wäre garantiert. Und das bei hundertprozentiger Umweltverträglichkeit.