Vom Verschwinden der Bronzen

Kolumne 1. August 2011

Als wir vor einigen Tagen dank der Spendenbereitschaft vieler Bürger einen Neuguss der Bronze-Büste Alfred Döblins wieder aufstellen konnten, da waren wir erst einmal froh. Denn dies war ein Akt gegen Resignation und Fatalismus, der mich oft beschleicht, wenn ich die letzten Meldungen über Metalldiebstähle lese. Immerhin ist es uns diesmal gelungen, dem grassierenden Vandalismus eins auszuwischen.

Die Diebe von deren Säge-Aktion noch ein leerer Sockel an der Karl-Marx-Allee kündet, sind zwar nicht gefasst, doch ihre Untat hat zumindest nicht bewirkt, dass wir uns daran gewöhnen, wenn im öffentliche Raum wegen der steigenden Buntmetallpreise sukzessive die Kunstwerke abgeräumt werden. Aber dass wir uns nun mit dem Zweitguss des Bronzekopfs ins Foyer der schönen neuen Bezirksbibliothek in der Frankfurter Allee zurückgezogen haben, ist letztlich eine Kapitulation. Denn niemand kann mehr dafür garantieren, dass Metalldiebe an der Ausführung ihres europaweiten Zerstörungswerkes spürbar gehindert werden.
Da sich der Kupferpreis in nur einem Jahr verdreifacht hat, können auch 15.000 Volt die Drahtdiebe nicht erschrecken. Die Bundespolizei meldet in nur einem Jahr eine Verdoppelung der Verluste auf den Bahnstrecken. Wer von Berlin nach Cottbus fahren will, hat seit Monaten unter den Folgen zu leiden und auch die Freunde der Museumsbahn von Müncheberg nach Buckow bangen seit der Wiederinbetriebnahme im April jede Nacht um ihren Fahrdraht. Vor einem Jahr im Juni fehlten plötzlich 2 km davon. Von Friedhöfen verschwinden zunehmend Skulpturen. Hamburg-Ohlsdorf vermisst seit Juni eine 600 Kilo schwere Bronzefigur. Metallene Urnen haben keinen Anspruch auf Pietät und wandern in die Schmelzöfen, die sich angeblich gleich hinter den Landesgrenzen befinden sollen. Bronzebuchstaben werden aus Denkmälern herausgebrochen. Gullydeckel geraubt, obwohl ihr Marktwert die Mühe kaum lohnt. In Duisburg-Ruhrort hat es – um wieder auf den Kunstraub zu kommen – einen bronzenen Schäferhund erwischt, der 50 Jahre die Zierde des Hundesport-Vereinsheims war. In Mühlheim/Ruhr wurden die Täter beim Zersägen eines bronzenen Bogenschützen offenbar überrascht – der halbe Kopf und ein Armstumpf sind als eindrucksvolles Bildmotiv für Zerstörungswut und Geldgier zurückgeblieben. In Dänemark hatte man immerhin eine Idee: man will den Weg verschwindender Bronzeskulpturen künftig mittels eingebauter GPS-Sender besser nachverfolgen können. Bis zur Grenze. Denn dort haben ja, freilich aus anderen Gründen, die Zöllner wieder Posten bezogen.

Jedenfalls wird die Liste der Metalldiebe jeden Tag länger und bizarrer, wenn man nun auch noch die um 22 Türen ärmer gewordenen Autobahntoilettenhäuser in Brandenburg hinzuzählt. Die Diebe waren offenbar nicht vom Fach, sonst hätten sie bemerkt dass der vermeintliche massive Edelstahl nur eine Hülle mit Dämmstoff war. Mischschrott bringt nicht viel. Nur der Schaden von über hunderttausend Euro für ein paar grüne Scheine Gewinn ist gewaltig. Kommunen, Länder Bund und Firmen kostet die Zerstörung viele Millionen. Sie ist scheinbar ebenso wenig aufzuhalten wie die Vermüllung vieler Städte, wie das Graffitti-Beschmieren von Eisenbahnwaggons und Häuserwänden, wie das Zerkratzen der U- und Straßenbahn-Scheiben. 

Zugegeben, diese Zeilen lesen sich wie ein Lamento über Zivilisationskrankheiten. Gibt es eigentlich noch Metallschilder mit der Aufschrift „Bürger, schützt eure Anlagen!“? Oder sind die auch alle schon geklaut? 

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